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Hoffnung auf Dialog

24. März 2012 – 10:09

Herero und Nama fordern weiter Entschuldigung und Entschädigung für Völkermord/ Diplomatische Fehltritte erzürnen namibische Regierung

Festus Muundjua schreitet den Bauzaun ab, der den fertigen, aber noch nicht eröffneten Neubau des Staatsmuseums von der Robert Mugabe Avenue trennt. „Beim Bau des Museums haben die Arbeiter dort Knochen gefunden“, erzählt der 75-jährige Historiker, Spuren des Konzentrationslagers, in das die deutschen Truppen während des Völkermordes an den Nama und Herero zwischen 1904 und 1908 ihre Gefangenen pferchten. Direkt gegenüber bauten die Deutschen ab 1907 in Sichtweite ihre Christuskirche, noch immer das Wahrzeichen der Stadt. Einzig das koloniale Reiterdenkmal musste für den protzig-überdimensionierten Museumsneubau seinen Platz über den Gebeinen der Ermordeten räumen und steht jetzt hundert Meter südlich. Muundjua möchte wissen, was darauf geschrieben steht, keine angenehme Aufgabe für einen deutschen Journalisten.

„Zum ehrenden Andenken an die tapferen deutschen Krieger“, wurde der triumphierende Schutztruppen-Reiter hier am 27. Januar 1912 zum 53. Geburtstag von Kaiser Wilhelm II. errichtet. Gedacht wird der deutschen Opfer: Soldaten, Zivilisten, vier Frauen und einem Kind. Muundjua nickt kurz und schweigt einen Moment. „Jetzt wird also nur eines Kindes gedacht“, sagt er dann leise. Muundjua ist selbst Herero, Schirmherr des Ovaherero Völkermord Komitees und Sprecher des obersten traditionellen Anführers seiner Volksgruppe, Paramount Chief Kuaima Riruako. „Wenn sie diese Zahlen produzieren konnten, könnten sie dann auch die Verluste der gegnerischen Seite beziffern?“, fragt er schließlich bitter. Den Schätzungen zufolge bis zu 100.000 Herero und Nama, die in den Schlachten, Konzentrationslagern oder als Vertriebene in der Kalahari-Wüste umkamen, wird an dem Denkmal nicht gedacht. Das ist das Eine. Dass die heutige Bundesregierung den Völkermord noch immer nicht gesteht, das Andere. Die Herero fordern von Berlin ebenso wie die Nama eine Entschuldigung für die Gräueltaten der kaiserlichen Truppen und Reparationen für ihre Verluste. Im deutschen Außenministerium versteckt man sich allerdings hinter dem juristischen Winkelzug, dass die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes, der die BRD 1955 beitrat nicht rückwirkend gelte, und weist auf die umfangreiche deutsche Entwicklungsförderung in Namibia hin.

Daran hat sich auch nach der peinlich verlaufenen Übergabe von 20 der zwischen 3000 und 10000 geraubten Schädeln Ende September 2011 in der Berliner Charité nichts geändert. Im Gegenteil, Muundjua, damals Teil der namibischen Delegation, berichtet von den Irritationen über die Weigerung der deutschen Regierung, die Gebeine in einer offiziellen Zeremonie zu überreichen. Genau diese Respektlosigkeit könnte für Deutschland allerdings noch Folgen haben, weil sie auch die namibische Regierung erzürnt hat. Der deutsche Botschafter in Namibia, Egon Kochanke, goss weiteres Öl ins Feuer indem er den Herero zunächst versteckte Agenden unterstellte und schließlich Ende Januar für den Vorwurf, die namibische Regierung lasse sich von den Herero und Nama beeinflussen gar von Staatspräsident Hifikepunye Pohamba aus dem State House geworfen wurde. Hatte die von Ovambo dominierte SWAPO-Regierung die Reparationsforderungen bisher nicht unterstützt und diplomatisch blockiert, nahm das Parlament nun einstimmig eine Vorlage an, nach der der Völkermord als solcher anerkannt und mit der zwingenden Forderung nach Reparationen verbunden ist.

Dass daraus eine offene Forderung der namibischen Regierung wird, glaubt Muundjua dennoch nicht. „Hinter vorgehaltener Hand flüstern sie noch, dass sie Angst haben, die Beziehungen zu Deutschland und die Entwicklungshilfezahlungen zu riskieren“, sagt der bestens verknüpfte Ex-Politiker. Er hofft dennoch auf mehr Unterstützung aus den eigenen Reihen und schließlich auf eine Verhandlungslösung mit Deutschland. „Wir wollen die deutsche Regierung nicht bloßstellen oder beschämen, wir wollen einen Dialog.“ Ohne den, so sagt er, ließe sich die Wut der mittellosen Herero nicht besänftigen. „Man kann nicht vorhersagen, was passiert, wenn die Herero an den Punkt getrieben werden, an dem sie explodieren“, warnt er. „Wenn sie jetzt jemand aufruft, die deutschen Farmen anzugreifen, werden sie losbrechen. Das ist die Sorge, die Riruako und die Chiefs haben, die Leute zu beruhigen, bevor sie den Siedepunkt erreichen.“

Erschienen am 24. März 2012 in junge Welt.