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Mehr als Kosmetik

27. August 2016 – 09:24

Südafrika: Opposition stellt erstmals Bürgermeister in Johannesburg. Neoliberale und Linke kooperieren gegen ANC

Das Debakel für Südafrikas Regierungspartei African National Congress (ANC) ist perfekt. Seit Montagabend ist erstmals ein Kandidat der Oppositionspartei Democratic Alliance (DA) zum Bürgermeister von Johannesburg gewählt worden. Die größte Metropole des Landes war seit dem Ende der Apartheid 1994 fest in den Händen des ANC. Bei den jüngsten Kommunalwahlen am 3. August erreichte die Partei aber nur noch 45 Prozent der Stimmen. Die DA, mit 38 Prozent der Stimmen zweitstärkste Kraft, konnte ihren Kandidaten Herman Mashaba nun mithilfe der Economic Freedom Fighters (EFF) ins Amt hieven. In Südafrika ist damit nach über 20 Jahren absoluter ANC-Mehrheiten das Zeitalter der Koalitionen angebrochen – und die scheinen schon zu Beginn mehr als wackelig.

Genau genommen existiert in Johannesburg nämlich gar keine Koalition zwischen DA und EFF – ebenso wenig wie in der Metropolregion Tshwane mit der Hauptstadt Pretoria. In beiden Kommunen stellt die neoliberale Partei DA nun zwar erstmals den Bürgermeister, hat aber ohne die Stimmen des mit linksradikalen Forderungen angetretenen Partners keine Chance auf Mehrheiten. EFF-Parteichef Julius Malema, ein ehemaliger Präsident der ANC-Jugendliga, der 2012 nach einem offenen Machtkampf mit Staats- und Parteipräsident Jacob Zuma aus der Mutterpartei ausgeschlossen worden war und ein Jahr später seine neue Formation gründete, schloss Koalitionen mit der DA gar völlig aus. Seine Partei wolle zwar den ANC abwählen, ansonsten aber unabhängig abstimmen, kündigte er an. Zu verschieden sind die Programme: Die von weißen dominierte DA setzt auf platte Change-Rhetorik à la George Soros und eine neoliberale Wirtschaftspolitik, die EFF fordert entschädigungslose Landenteignungen zugunsten armer Schwarzer und will Banken und Bergbaukonzerne verstaatlichen. Einig sind sich beide Parteien eigentlich nur in einem Punkt: ihrer Ablehnung des ANC unter Zuma. Malema hatte im Wahlkampf gar angekündigt, den korruptionsumwitterten Präsidenten ins Gefängnis stecken zu wollen.

So weit ist es freilich noch nicht, Zuma sitzt auch nach dem Debakel bei den Kommunalwahlen noch fest im Sattel. Und sein ANC gibt sich nach außen stolz und staatstragend, schließlich habe man landesweit ja noch immer 54 Prozent der Stimmen auf sich vereinen können. Gegenüber den vorhergegangenen Kommunalwahlen von 2011 war das aber ein Minus von acht Prozentpunkten und intern wird in der Partei längst darüber diskutiert, wie das Vertrauen der Wähler nach der Ära Zuma zurückgewonnen werden kann. Dessen Zeit an der Parteispitze dürfte Ende 2017 enden, wenn der ANC auf seinem alle fünf Jahre angesetzten Wahlparteitag eine neue Führung bestimmt. Dass Zuma noch vorher abgesägt wird, scheint momentan eher unwahrscheinlich, die Parteischwergewichte verschwenden keine Energie mehr auf ihn, sondern konzentrieren sich auf den neuen Machtkampf. Denn derjenige, der dann zum Parteipräsidenten aufsteigt, wird anderthalb Jahre später auch ANC-Kandidat bei den Präsidentschaftswahlen sein, wenn Zuma nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten darf. Bisher war die parteiinterne Wahl stets ein sicheres Ticket zum Einzug in die Union Buildings, den Sitz des Staatspräsidenten in Pretoria. Doch das könnte sich 2019 erstmals ändern. Die Sicherheit ewiger Wahlsiege – Zuma sprach häufig davon, dass sein ANC regieren werde, bis Jesus zurückkommt – ist nach den Kommunalwahlen weg.

Für die Opposition ist der Platz an der Macht in den Metropolen aber auch eine Gefahr. Denn sie muss nun zeigen, dass sie die Kommunen besser verwalten kann, hat dazu aber keine eigene Mehrheit und obendrein unerfahrene Politiker. Johannesburgs neuer Bürgermeister Mashaba beispielsweise wurde erst im Dezember vergangenen Jahres als eine Art schwarzer Posterboy vor den Karren der DA gespannt. Zuvor hatte er mit Haarpflege- und Kosmetikprodukten ein Vermögen gemacht. Ganz im Stile des gegen sich und alle anderen erbarmungslosen Selfmade-Millionärs kündigte Mashaba gleich an seinem ersten vollen Tag im Amt am Dienstag an, die Fähigkeiten und Leistungen der Kommunalangestellten einer Überprüfung unterziehen zu wollen. Wer kompetent sei, müsse sich keine Sorgen um seinen Arbeitsplatz machen, ließ er vielsagend verlauten. Die mit dem ANC verbündete Gewerkschaft der Kommunalangestellten dürfte das kaum kampflos hinnehmen und auch Malemas EFF wird sich dann entscheiden müssen, ob sie auf Seiten der Arbeiter oder der Neoliberalen stehen will. Südafrikas Metropolen stehen vor turbulenten Zeiten.

Erschienen am 27. August 2016 im Neuen Deutschland.