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Rassismus ist nicht tot

21. MĂ€rz 2011 – 17:14

Zum Tag der Menschenrechte entbrennt in SĂŒdafrika eine neue Rassen-Debatte um die Verteilung von ArbeitsplĂ€tzen

Seit 1994 ist der 21. MĂ€rz offizieller Feiertag in SĂŒdafrika – neben dem Tag der Jugend, der an die Opfer des SchĂŒleraufstands von Soweto erinnert, der traurigste im Kalender des Landes. Tag der Menschenrechte haben sie ihn getauft, zu Ehren der 69 Demonstranten, die 1960 in Sharpeville im Kugelhagel der Polizei starben. Ihr Vergehen: Sie hatten ihre PĂ€sse verbrannt, die Ordnungsinstrumente des Apartheidstaats, der Menschen nach Hautfarben zuschrieb, wo sie sich wann aufzuhalten hatten. Das Apartheid-Regime ist lĂ€ngst besiegt und doch diskutiert SĂŒdafrika wieder ĂŒber Rassismus und Zwangsumsiedlungen. Das neue Druckmittel sind ArbeitsplĂ€tze.

Um die weiße Vorherrschaft in der Wirtschaft zu durchbrechen, hatte die ANC-Regierung nach dem Ende der Apartheid ein Quotensystem eingefĂŒhrt, dass Unternehmen vorschreibt, Stellen nach demographischen Proportionen zu vergeben. Leben in einer Provinz 80 Prozent Schwarze sollte sich das auch genau so in den Belegschaften der Betriebe widerspiegeln, weiße Vetternwirtschaft durchbrochen werden. Soweit die Theorie, die zumindest in den noch immer von Weißen dominierten FĂŒhrungsgremien sowieso nie funktioniert hat. Doch dem sĂŒdafrikanischen Parlament liegt nun ein Gesetz-Entwurf vor, nach dem diese Quoten nicht mehr pro Provinz sondern nur noch landesweit berechnet werden sollen. Was nach einer statistischen Nichtigkeit klingt, hĂ€tte in Teilen des Landes massive Auswirkungen. Im West-Kap, der Provinz rund um Kapstadt sind beispielsweise mehr als die HĂ€lfte der Menschen „Coloureds“, farbige Nachfahren von malaiischen Sklaven, europĂ€ischen Siedlern und sĂŒdafrikanischen Völkern, die heute als eigene Bevölkerungsgruppe klassifiziert werden und sich auch grĂ¶ĂŸtenteils selbst so begreifen. Weil diese „Farbigen“ landesweit aber nur rund neun Prozent der Bevölkerung ausmachen, dĂŒrfte – so sĂ€he es das neue Gesetz vor – kĂŒnftig auch in Unternehmen im West-Kap nur jeder zehnte Arbeiter „farbig“ sein.

Ein Redemitschnitt des ehemaligen General-Direktors im Arbeitsministerium und heutigen Regierungssprechers, Jimmy Manyi, der den Gesetzesentwurf verfasst hat, sorgt nun fĂŒr zusĂ€tzliches Öl im Feuer. Manyi, zu der Zeit gleichzeitig Vorsitzender des Black Management Forums, spricht in dem von der oppositionellen Democratic Alliance (DA) veröffentlichten Youtube-Filmchen von einer „einem Überangebot von Coloureds“ und einer „Überbevölkerung“ der „Farbigen“ im West-Kap. „Einen Rassisten vom Schlage Verwoerds“, nannte Trevor Manuel, Zumas einflussreicher Planungsminister, Manyi daraufhin in Anlehnung an den Architekten der Apartheid in einem offenen Brief, den mehrere Tageszeitungen abdruckten. Dabei gilt Manuel eigentlich als besonnener Politiker. Die Vermutung liegt daher nahe, dass Manuels Attacke zwar ehrlich – er gilt als ausgesprochener Anti-Rassist – aber auch taktisch berechnend war. Denn Mitte Mai stehen Kommunalwahlen an in SĂŒdafrika und der ANC ist auf die Stimmen der „Farbigen“ im West-Kap dringend angewiesen, um in der von der DA regierten Provinz wieder mehr Einfluss zu bekommen.

Das ist allerdings aussichtsloser denn je und nicht wenige vermuten bereits, dass die neue Quotenregelung fĂŒr den vor allem von Schwarzen gewĂ€hlten ANC langfristig genau diesen Einfluss sichern soll. Denn die meisten „farbigen“ SchulabgĂ€nger wĂ€ren kĂŒnftig gezwungen, die Provinz zu verlassen, um anderswo Arbeit zu finden. „Wenn das jemals funktioniert, könnte der ANC das West-Kap wieder gewinnen“, sagt Faizel Moosa, ein Veteran des Anti-Apartheid-Kampfes und heute Vorsitzender des ANC-Ortsverbandes im hauptsĂ€chlich von „Coloureds“ bewohnten Vorort Landsdowne. „Wir wollen uns nicht als ‚Coloureds‘ verteidigen, wir wollen nicht-rassisch sein“, sagt der Mann, der als Sicherheitschef des ANC im West-Kap einst Nelson Mandela aus dem GefĂ€ngnis abholte. „Aber das wĂ€ren die Zwangsumsiedlungen nochmal von vorne. Es ist teuflisch, sowas fĂŒr den eigenen politischen Nutzen zu tun.“ Der 21. MĂ€rz sollte die SĂŒdafrikaner eigentlich genau daran erinnern.

Erschienen am 21. MÀrz 2011 in der WestfÀlischen Rundschau.