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Sensible Erpresser

15. Mai 2012 – 10:23

Internationaler Währungsfonds (IWF) gewährt Malawi nach Währungsabwertung und Finanzmarktöffnung wieder Kredite

„Es ist wichtig zu unterstreichen, dass dies keine Maßnahme ist, die uns von außen vom IWF aufgezwungen wurde“, versuchte Malawis Finanzminister Ken Lipenga das Offensichtliche in einem Interview zu dementieren. Lipenga, der bereits unter dem kürzlich verstorbenen Ex-Präsidenten Bingu wa Mathurika diente, wehrt sich zurzeit gegen Rücktrittsforderungen der Opposition, die ihm vorwirft, das Parlament über den Zustand der Wirtschaft im Land wissentlich getäuscht zu haben. Mutharika hatte nach seinem Bruch mit dem Internationalen Währungsfonds ein Null-Defizit-Budget vorgelegt, brauchte dafür aber offensichtlich Kredite von Privatbanken, die Lipenga verschwieg. Unter seiner neuen Chefin, der ehemaligen Vize-Präsidentin Joyce Banda, muss er nun ein neues Lied singen. Als eine ihrer ersten Amtshandlungen kappte Banda am Montag vergangener Woche die Bindung der Landeswährung an den US-Dollar – ein Schritt der einer Abwertung des Kwachas von inzwischen knapp 50 Prozent gleichkam und vom IWF außerordentlich begrüßt wurde.
Mutharika hatte sich bis zuletzt gegen die Abwertung geweigert, weil sie die Inflation ankurbele und vor allem den Armen des Landes weh tue. Knapp vierzig Prozent der Malawier lebten bereits vor dem Währungsverfall von umgerechnet weniger als einem US-Dollar, mit dem neuen Kurs dürften es nun noch wesentlich mehr sein. Banda erhofft sich dagegen nun verstärkte Privatinvestitionen und diversifiziertes Wachstum. Der Plan scheint allerdings noch umfangreicher aufzugehen, als von der Neu-Präsidentin vorhergesehen, bereits am vergangenen Freitag sah sich die Zentralbank Malawis gezwungen ihren Leitzins um satte drei Prozent von 13 auf nun 16 zu erhöhen, um der „erwarteten, beschleunigten Inflation“ Herr zu werden, wie der Finanzinformationsdienstleister Reuters den Schritt deutete. Knapp 60 Prozent des für die Inflationsberechnung herangezogenen Güter-Korbes machen dabei in Malawi Lebensmittel aus und die Teuerungsrate betrug bereits vor dem großen Ausverkauf der eigenen Währung sieben Prozent. Da die Transportkosten durch die Verteuerung der in US-Dollar gehandelten Treibstoffimporte nun in die Höhe schnellen, dürfte sich der Schritt auch rapide auf die Preise für Güter des täglichen Bedarfs durchschlagen, selbst auf solche, die im eigenen Land produziert werden. Bereits am Freitag war das Benzin um 30 Prozent und Strom um 63 Prozent teurer. Entsprechende Lohnerhöhungen sind derweil freilich nicht annähernd in Sicht.
Während die Zentralbank fast schon zynisch verlauten lässt, dass von der „Währungsanpassung“ eine Senkung der Nachfrage für Importgüter zugunsten vor Ort hergestellter Produkte erwartet wird – was ob der Tatsache, dass sich nun fast niemand in Malawi überhaupt noch Importgüter leisten kann, sehr wahrscheinlich erscheint – fährt Banda, nicht verwandt mit Malawis erstem Präsidenten Hastings Banda, für ihren Schritt großes Lob ein. „Ich bin ermutigt von Präsidentin Bandas frühen Fortschritten im Amt“, ließ der britische Staatssekretär für Internationale Entwicklung, Andrew Mitchell, vergangene Woche seiner Freude freien Lauf. Banda habe die Bürger Malawis ins Zentrum ihres Regierungsprogrammes gestellt und „sie hört auf die sensiblen Ratschläge des IWF, wie die Wirtschaft wieder auf die Beine zu bringen ist“. Die „Sensibilität“ des IWF sah dabei exakt so aus: Als Bandas Vorgänger Mutharika sich weigerte, sein Finanzwesen nach dem Willen der Washingtoner Weltenretter aufzustellen, kappte die UN-Sonderorganisation seinem Land kurzerhand die Kreditzusagen. Die USA und Großbritannien, Hauptgeberländer Malawis, stellten daraufhin die Zahlungen ein. Dem kleinen afrikanische Land, das mit einem Bruttoinlandsprodukt von knapp 700 Euro pro Kopf der Bevölkerung zu den ärmsten Staaten weltweit gehört und hauptsächlich von Tee- und Tabakexporten lebt, fehlten damit 40 Prozent des Staatsbudgets.
Inzwischen fließen die Finanzmittel wieder. Nach der Währungsabwertung dauerte es nur zwei Tage ehe der IWF am vergangenen Mittwoch verlauten ließ, von einer ins Land entsandten Kommission spätestens im Juni positive Ergebnisse für eine Wiederaufnahme der Kreditzahlungen zu erhalten. Doch die Washingtoner Politikmacher am Geldhahn waren sogar noch ungeduldiger. Bereits am Donnerstag verschickten sie die Briefe an die Geberländer, in denen Malawi grünes Licht für neue Kredite erhielt und erneut nur einen Tag später, Freitag, kündigte Großbritannien schließlich an, Malawi mit 30 Millionen Pfund (37 Millionen Euro) Soforthilfe zu unterstützen.
Analysten wie Fanwell Bokosi, Berater für Wirtschaftspolitik und Entwicklungshilfe am African Forum and Network on Debt and Development (Afrikanisches Forum und Netzwerk für Schulden und Entwicklung) in Harare, Simbabwe, warnen derweil, dass die Abwertung lediglich Symptome Kuriere und Malawi stattdessen einen neuen strategischen Wirtschaftsplan inklusive besserer Berufsausbildung brauche. Blieben diese Schritte aus würden „‚Abwertung‘ und ‚Betteln bei Gebern‘ oder tatsächlich ‚guter Wille‘ und ‚Kredite‘ Opfer opportunistischer Elemente“ werden, „insbesondere derer, die politische Kontrolle in Malawi haben“. Diese Probleme anzusprechen oder zumindest einen tatsächlichen Wirtschaftsplan zu verlangen, war dem IWF aber offensichtlich zu sensibel – oder in Anbetracht des gewonnenen Einflusses schlicht egal.

Erschienen am 15. Mai 2012 in junge Welt.