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Südafrika setzt auf starken Staat

10. Februar 2012 – 11:31

Präsident Zuma will Infrastruktur ausbauen, muss aber gleichzeitig vor Korruptionsverfahren bangen

Großangelegte staatliche Infrastrukturprojekte sollen Südafrika in den kommenden Jahren wirtschaftlich voranbringen und die hohe Arbeitslosigkeit im Land bekämpfen. Das verkündete Staatspräsident Jacob Zuma gestern Abend in seiner Rede zur Lage der Nation anlässlich der ersten Parlamentssitzung des Jahres in Kapstadt. Hatte Zuma noch 2011 für verstärkte Zusammenarbeit von Gewerkschaften, Arbeitgebern und Regierung bei der Schaffung von Arbeitsplätzen geworben, ist der Trend für 2012 eindeutig: Mehr staatliches Engagement soll für mehr Jobs und durch bessere Verkehrswege und Stromversorgung gleichzeitig für Wachstum sorgen. Vorbild des Politikwechsels ist China.

Die Arbeitslosenquote in Südafrika beträgt laut offizieller Statistik derzeit 23,9 Prozent. „Ermutigend“, nannte Zuma die Zahlen zwar, im vorhergehenden Quartal lag die Quote schließlich noch bei 25 Prozent, doch er verspricht weitere Besserung. Weil die Statistik sehr eng gefasst ist, schätzen Experten die tatsächlichen Arbeitslosenzahlen wesentlich höher. Nur gut die Hälfte der Südafrikaner im arbeitsfähigen Alter zwischen 15 und 64 Jahren haben nach Angaben des südafrikanischen Statistikamtes eine Beschäftigung. Der Arbeitsmarkt ist seit Ende der Apartheid 1994 Hauptthema des regierenden African National Congress (ANC). Hatte Zumas Vorgänger Thabo Mbeki noch erfolglos auf die Kräfte eines liberalisierten Marktes gehofft, schlägt Zuma nun den entgegengesetzten Weg ein. Plumpe Verstaatlichungen, wie sie der inzwischen suspendierte Jugendliga-Vorsitzende Julius Malema in der Vergangenheit für den Bergbausektor gefordert hatte, schließt seine zwar Regierung aus, will dafür aber hohe Steuern auf Gewinne aus der Rohstoffförderung erheben und auf stärkere Staatsunternehmen setzen. Investitionen wie beim halbstaatlichen Strommonopolisten Eskom oder in das Bahnunternehmen Transnet sollen die wirtschaftliche Leistung des Landes ankurbeln. Südafrikas Regierung hat die Hoffnung auf wesentliche Privatinvestitionen zur Behebung der Wirtschaftskrise aufgegeben und Zuma seinen Minister für Staatsunternehmen stattdessen zum Studium des dortigen Modells nach China geschickt. „Wenn Sie sich die Entwicklungsstaaten ansehen, die wir in Südostasien oder sogar Norwegen haben, die haben ihr Entwicklungsniveau erreicht, weil der Staat eine aktive Rolle in der Wirtschaft gespielt hat“, erläuterte jener Malusi Gigaba nun in der vergangenen Woche der Wochenzeitung Mail & Guardian.

Zumas Pläne sind ambitioniert, auch wenn der Präsident kaum konkrete Pläne zur Umsetzung versprach. Auch auf das marode Gesundheitssystem ging er kaum ein, ebenso wenig auf das von Streiks und Korruption zersetzte staatliche Schulsystem. Beides hatte Zuma 2011 noch als Schlüsselprioritäten klassifiziert. Während in der Provinz Eastern Cape noch vorgestern die Lehrerschaft mit Streik drohte, weil die Bildungsbehörde mit irregulären Ausgaben das Budget für 6000 Teilzeitlehrer aufgebraucht und diese kurzerhand entlassen hatte, rühmte er sich mit dem Anstieg der Schulanfänger seit 2003. Die Korruptionsbekämpfung, einen weiteren Hauptpunkt aus dem Vorjahr, handelte der Präsident mit lediglich zwei Sätzen ab. Letzteres könnte allerdings auch persönliche Gründe haben. Zuma hatte vor seiner Wahl zum Staatspräsidenten 2009 bei der Staatsanwaltschaft mit bisher unveröffentlichten Entlastungsbeweisen die Einstellung eines Korruptionsverfahrens gegen ihn erreicht. Die Oppositionspartei Democratic Alliance kämpft seit Jahren um die Veröffentlichung dieser Dokumente. Zuma wehrt sich dagegen und muss sich am kommenden Mittwoch in einer Anhörung vor dem obersten Berufungsgerichtshof rechtfertigen. Die Argumente seiner Verteidiger sind vielsagend: Würden die strittigen Abhörbänder und Einlassungen veröffentlicht drohe dem Land ein Imageverlust. Scheitern Zumas Programme weiterhin an der Ineffizient seiner Regierungsmannschaft und Staatsbediensteten, dürfte das in der immer ungeduldigeren Bevölkerung allerdings einen ähnlichen Effekt hervorrufen.

Erschienen am 10. Februar 2012 im Weser-Kurier.