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Ãœber die Autobahn zum Leiharbeitsverbot

3. Mai 2012 – 10:27

Südafrika: Gewerkschaftsbund stoppt Straßenprivatisierung und festigt Machtposition

Nach dem kurzfristig anberaumtem Treffen von führenden Vertretern des Gewerkschaftsbundes COSATU und der Regierungspartei African National Congress (ANC) dauerte es am vergangenen Donnerstag nur wenige Stunden, bis das südafrikanische Verkehrsministerium die von der Arbeiterbewegung gewünschte Nachricht verkündete. Die Einführung eines Maut-Systems auf wesentlichen Verkehrsadern der Hauptstadtprovinz Gauteng wird um einen Monat verschoben. Der ANC, der mit dem Bündnispartner COSATU gestern bei 15 großen Mai-Kundgebungen den „Beitrag der Arbeiter im Befreiungskampf“ feierte, kaufte sich damit einen ruhigen Tag der Arbeit. Das Einlenken der ANC-Regierung ist allerdings ein klarer Machtgewinn für die Gewerkschaften, die ihren geplanten Generalstreik wegen des Treffens verschoben, sich demnächst aber gegen ein streikfeindliches neues Arbeitsgesetz wehren müssen und zudem weiter für ein Verbot von Leiharbeit kämpfen. Da ist es dann auch unbedeutend, dass die Verschiebung schon zwei Tage später völlig wertlos erschien.

Eine Bürgerinitiative hatte gleichzeitig gegen die Einführung der Maut-Gebühren geklagt und am Samstag vor dem obersten Gerichtshof eine einstweilige Unterlassungsverfügung erwirkt. Das Verkehrsministerium muss nun zusammen mit dem Privatinvestor in einem voraussichtlich langwierigen Gerichtsverfahren erläutern, warum es keine anderen Finanzierungsmöglichkeiten gibt. Stein des Anstoßes ist der Ausbau von 185 Kilometer bestehender Autobahn-Strecke, die durch eine private Maut-Gesellschaft finanziert werden soll, deren größter Investor ausgerechnet der Pensionsfond für Staatsangestellte ist. Die Gewerkschaften kämpfen gemeinsam mit weiten Teilen der südafrikanischen Zivilgesellschaft dagegen an, weil sie durch die umgerechnet 3 Cent pro Kilometer teuren Gebühren einen Verlust an Bewegungsfreiheit, Insolvenzen von Kleinunternehmen und steigende Lebensmittelpreise befürchten. Dass der ANC in einer gemeinsamen Mitteilung mit COSATU nun darauf hinwies, dass die Verschiebung „zum erörtern alternativer Finanzierungsmechanismen“ diene, deutet auf ein Einlenken hin.

Die erfolgreiche Streik-Androhung der Gewerkschaften ist ein Zeichen der Stärke in schweren Zeiten. Die ANC-Regierung will in einer Arbeitsmarktreform das Streikrecht ändern und verpflichtende Abstimmungen vor Arbeitskämpfen wieder einführen sowie Solidaritätsstreiks gänzlich untersagen. Die jahrelange Forderung von COSATU und der ebenfalls in der Regierungsallianz vertretenen Kommunistischen Partei Südafrikas (SACP) nach einem Verbot von Leiharbeit, hat die Regierung unter Präsident Jacob Zuma nach dem vorliegenden Gesetzentwurf dabei ebenfalls erneut ignoriert. Leiharbeiter sollen demnach künftig zwar nur noch für höchstens sechs Monate angestellt werden dürfen, für COSATU sind das aber „sechs Monate zu lang“.

Gewerkschaftsbund-Sprecher Patrick Craven wies in seinem Statement zum 1. Mai darauf hin, dass inzwischen 30 Prozent der arbeitenden Südafrikaner in prekären Verhältnissen angestellt sind. Die Arbeitsmarktstatistiken mit offiziell nahezu unverändert rund 24 Prozent Arbeitslosen wiederlegen zudem die Argumente der Leiharbeitsvermittler, Arbeitsplätze zu schaffen. Auch in Südafrika ersetzen sie lediglich Festanstellungen. „Die sind nichts anderes als Menschenhändler, die riesige Profite durch die Vermietung von Arbeitern machen, so als wären wir nicht mehr als Güter, wie Möbel oder Bürobedarf“, wetterte Craven. COSATU hat weitere Proteste angekündigt, der verschobene Generalstreik soll bereits in der zweiten Maiwoche nachgeholt werden.

Erschienen am 3. Mai 2012 in junge Welt.