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Einzelhandelsriese Wal-Mart will Afrikas Märkte erobern

18. Januar 2011 – 06:31

Gewerkschaften bangen um Arbeitsplätze – und die Lebensmittelqualität

Die Chancen der US-amerikanischen Einzelhandelskette Wal-Mart auf einen Eintritt in die wachsenden Märkte des südlichen Afrikas sind seit gestern gestiegen. 97 Prozent der Teilhaber der südafrikanischen Kette Massmart, die noch in 14 weiteren afrikanischen Ländern Märkte betreibt, stimmten für den Verkauf der von Wal-Mart angestrebten 51 Prozent an dem Unternehmen. Der Schritt war allerdings erwartet worden, Massmart-Vorstandschef Grant Pattison hatte selbst für die Übernahme geworben. Der eigentliche Übernahmekampf steht Wal-Mart allerdings erst noch bevor: Der mächtige südafrikanische Gewerkschaftsbund COSATU hat bereits massive Proteste angekündigt. Neben Arbeitsplatzverlusten sorgen sich die Südafrikaner auch um die Nahrungsqualität in ihren Supermärkten.

COSATU-Vizepräsident Tyotyo James hat während einer Demonstration vor der Aktionärsversammlung gestern Morgen in Johannesburg bereits „die Mutter aller Boykotte“ angekündigt, sollte das umgerechnet 1,7 Milliarden Euro schwere Geschäft in die Tat umgesetzt werden. Die zwei Millionen Mitglieder starken südafrikanischen Gewerkschaften sind für ihre massiven Streiks bekannt und eine Verhandlungslösung scheint nicht in Sicht. Schon jetzt sei am Kap eine „Walmartisierung“ eingetreten, schreibt die für den Bereich zuständige südafrikanische Gewerkschaft SACCAWU in einer Pressemitteilung. Das Klima in der Branche sei aggressiv und vergiftet, die südafrikanischen Wettbewerber machten sich wettbewerbsfähig für den zu erwartenden Konkurrenten – auf Kosten der Angestellten. „Auseinandersetzungen die früher zweckdienlich und einvernehmlich gelöst worden sind, stecken plötzlich in Sackgassen“, heißt es weiter.

Dass die Gewerkschaften auch die Auswirkungen auf die lokale Lebensmittelproduktion und Verarbeitung in den Mittelpunkt stellen, ist besonders pikant. Erst vor vier Wochen musste ein großer Geflügelproduzent zugeben, abgelaufenes Hühnerfleisch wiederaufbereitet an Billig-Ketten verkauft zu haben. Ein direkter Zusammenhang zu Massmart bestand zwar nicht, doch die Wal-Mart-Gegner befürchten eine generelle Verschlechterung der Lebensmittelqualität, wenn der Branchen-Riese die lokalen Lieferanten unter Druck setzt. Der Konzern ist für seinen Preiskampf berüchtigt.

Vertreter von Wal-Mart und Massmart versuchten die Bedenken naturgemäß zu entkräften. Fondsmanagern glauben jedoch, dass der Deal die Werte der Einzelhandelsketten am Kap drücken werde und dem Markt insgesamt schade. Das letzte Wort haben nun die südafrikanischen Wettbewerbsbehörden. Wirtschaftsentwicklungsminister Ebrahim Patel hat bereits eine Arbeitsgruppe gegründet.

Erschienen am 18.1.2011 in der Westfälischen Rundschau.