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Klimaforschung zwischen Flut und Dürre

29. November 2011 – 08:07

Im südlichen Afrika drohen heftigere und häufigere Wetterextreme, ein Zusammenhang mit dem Klimawandel ist schwer belegbar.

„Disaster Area“: Die Botschaft auf den großen Tafeln an den Zufahrtsstraßen war eindeutig. Ein ganzes Jahr lang bis in den vergangenen Juli galt Nelson Mandela Bay, sechstgrößter Ballungsraum Südafrikas, als Katastrophen-Gebiet. Kein Erdbeben, keine Sturmflut hatte den Verwaltungsbezirk um die Hafenstadt Port Elizabeth verwüstet, einziger Grund war eine anhaltende Dürre in der östlichen Kap-Region – die schwerste seit 130 Jahren. Die Stauseen erreichten Rekord-Tiefstände, noch im März warnte der Direktor der städtischen Wasserwerke, dass die Vorräte im Februar 2012 nicht mehr ausreichen würden. Gute Regenfälle in den vergangenen Monaten ließen die Metropole vorerst aufatmen, doch Nelson Mandela Bay ist kein Einzelfall. Immer wieder hatte das südliche Afrika in den vergangenen Jahren mit Wetterextremen zu kämpfen. Längst suchen Wissenschaftler nach den Ursachen, klare Antworten können sie aber noch nicht liefern.

„Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung hat eine hier eine Studie gemacht und herausgefunden, dass die Wetterereignisse extremer werden könnten“, erzählt Peter Pyke, im südafrikanischen Ministerium für Wasserangelegenheiten der führende Analyse-Spezialist. Die Betonung legt der ausgewiesene Experte für Wassermanagement dabei auf das Wort „könnten“, die Modelle zur Vorhersage des Klimawandels seien „noch nicht gut“, so Pyke. Südafrika ist von jeher ein Land starker Wetterextreme, was die Forschung erheblich erschwert. „Wir haben eine Sektion, die sich speziell mit Klimawandel befasst, aber statistisch sind diese Dinge sehr schwer zu beweisen“, erklärt der Experte das Dilemma: „Wir sagen nicht, es existiert nicht, wir sagen nur, wir sind nicht in der Lage, es zu belegen oder zu widerlegen.“ Glaubt man Pykes Kollegin Isa Thompson, beim Wasserministerium leitende Fach-Ingenieurin für die Kap-Region, gilt ähnliches auch für Nelson Mandela Bay. „Die Region ist anfällig für Dürren, das ist nichts Neues und auch nichts Unnormales“.

Eine Diskussionsrunde der Nelson Mandela Metropolitan University führte den Wassermangel dagegen schon 2009 auf veränderte Regen-Schemen zurück. Die Veranstaltung, die sich eigentlich mit der Zukunft der Milchwirtschaft in der Region beschäftigte, stellte in ihrem Abschlusspapier fünf Kernpunkte heraus. Die oberste Sorge: „Klimawandel wird zu weniger Regen, längeren und wärmeren Trockenzeiten, häufigeren und intensiveren Fluten und Dürren sowie mehr bedrohlichen Buschfeuern führen.“ Auch Lydia Johnson, Umweltministerin der bevölkerungsreichsten Provinz KwaZulu-Natal, sprach auf einem Vorbereitungsgipfel zur Klimakonferenz im September in Durban von häufigeren Dürren und Fluten als Bedrohungen des Klimawandels. „Es gibt unter Wissenschaftlern keinen Zweifel, dass der Klimawandel eingesetzt hat“, sagt Roland Schulze von der University of KwaZulu-Natal in Pietermaritzburg. Mit seinen Kollegen hat er in mehreren Studien konkret auf Südafrika bezogene Veränderung von Temperaturmitteln und Niederschlägen seit 1950 belegt. Aber ist der Klimawandel auch für die verheerenden Wetterkapriolen im südlichen Afrika verantwortlich? „Die Antwort darauf ist: Es kann durchaus sein, aber wir können es zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit Sicherheit sagen”, ist der Klimaforscher vorsichtig. Die Kernfrage beim Klimawandel sei nicht, ob es feuchter oder trockener wird, sondern dass Wetterextreme wahrscheinlich noch extremer werden.

„Wir haben dafür keinen Beweis“, wiegelt auch Wasser-Expertin Thompson Fragen nach veränderten Regenfall-Mustern ab. Doch sie rüsten sich für den Fall der Fälle. Eine Stausee-Erweiterung sei bereits im Bau, sagt Thompson, ab Ende 2012 soll ein unterirdischer Verbindungskanal Wasser aus dem Inland in die trockene Küstenregion führen. Als Langzeitlösung ist eine Meerwasserentsalzungsanlage geplant. Denn Klimawandel hin oder her, mit dem Lebensstandard der ehemals unterdrückten, schwarzen Bevölkerungsmehrheit steigt auch der Wasserbedarf.

Erschienen am 29. November 2011 in der Neuen Osnabrücker Zeitung.