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Kompromiss in Sicht

7. Juni 2012 – 10:27

Kommunistische Partei Südafrikas will Leiharbeitsfirmen von Staatsaufträgen ausschließen

Durchwachsene Aussichten für Südafrikas Leiharbeiter: Drei Wochen vor dem Programmparteitag des African National Congress (ANC) kommt Bewegung in eines der Hauptstreitthemen innerhalb der Regierungsallianz aus ANC, Kommunistischer Partei Südafrikas (SACP) und dem Gewerkschaftsdachverband COSATU. Waren die Positionen bisher verhärtet zwischen COSATUs Forderung nach einem allumfassenden Verbot von Leiharbeit und einem sanften Reformvorschlag der ANC-Führung, könnte eine Forderung von SACP-Generalsekretär Blade Nzimande nun den Weg zum Kompromiss zeigen.
„Wir fordern, dass alle Unternehmen, die große Infrastruktur-Projektaufträge von der Regierung bekommen, keine Leiharbeitsagenturen benutzen dürfen und sich der Aus- und Weiterbildung von Arbeitern verpflichten müssen“, sagte Nzimande bei einer Rede vor dem Kongress der Metallarbeiter-Gewerkschaft NUMSA in der Industrie- und Hafenstadt Durban. Ein Verbot von Leiharbeit, dass auch die SACP bisher verlangt hatte, forderte er nicht. Nzimande, selbst Minister für Hochschulbildung in der ANC-geführten Regierung, geht mit seiner Position andererseits aber auch weit über die Reformvorstellungen seines Bündnispartners hinaus. Der ANC-Entwurf will Leiharbeitsverhältnisse lediglich auf sechs Monate zeitlich begrenzen und das Prinzip des gleichen Lohnes für gleiche Arbeit durchsetzen – gegen beide Punkte gibt es allerdings bereits hartnäckige Aufweichungsbestrebungen der Industrieverbände. Zudem sollen bereits nach dem jetzigen ANC-Vorschlag Unternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten sowie Firmen, die nicht länger als zwei Jahre bestehen und weniger als 50 Arbeiter beschäftigen, von den Regelungen ausgenommen werden.
Die Gewerkschaften, die bereits im März bei einem landesweiten Generalstreik hunderttausende Südafrikaner für ein Leiharbeitsverbot auf die Straße gebracht hatten, fordern dagegen ein klares Leiharbeitsverbot ohne Hintertürchen und Gesetzeslücken. „Leiharbeit ist der Handel mit Menschen als Ware“, stellte COSATU-Generalsekretär Zwelinzima Vavi während eines Pressebriefings am Vortag des Generalstreiks klar. Die Praxis schaffe keine neuen Jobs sondern ersetze lediglich bestehende, feste Arbeitsplätze durch prekäre Anstellungen zu schlechteren Bedingungen. An der Position der Gewerkschaften hat sich seitdem nichts geändert, zumal die Zahlen Vavi recht geben. Die Zahl der Leiharbeitsfirmen hat sich seit dem Ende der Apartheid vervielfacht, auf knapp eine Million wird die Zahl der Leiharbeiter inzwischen geschätzt, das entspricht einem Anteil von 7,5 Prozent aller Südafrikaner in Arbeit. Den Gesamtanteil der prekären Arbeitsverhältnisse schätzt Vavi gar auf 30 Prozent.
Nzimandes Ausschlussforderung bei Staatsaufträgen könnte da ein bedeutender Lösungsvorschlag sein, der aufgrund der von Staatspräsident Zuma in seiner Rede an die Nation im Januar angekündigten, milliardenschweren staatlichen Infrastrukturprogramme erhebliche Auswirkungen auf die Beschäftigten im Land haben würde. Eine Abkehr von der Verbotsforderung könnte allerdings auch das Bündnis der SACP mit COSATU aufweichen, die im Jahr der wichtigen Personalentscheidungen innerhalb des ANCs beide um Einfluss und Posten in der Regierungspartei konkurrieren. Nutzen würde eine solche Spaltung vor allem den Light-Reformern im ANC sowie den Arbeitsverleihern.
Kommentiert hat die Regierungspartei Nzimandes Vorschlag bisher nicht, angesichts der schweigsamen Grundhaltung der Partei zu programmatischen Fragen ist das vor dem alle fünf Jahre stattfindenden Programmparteitag Ende Juni aber auch nicht ungewöhnlich. Im Vergleich zur letzten derartigen Sitzung 2007 können die Leiharbeitsgegner in diesem Jahr allerdings mit einem gewichtigen Beispiel aus dem Nachbarland Namibia aufwarten – die dortige Regierung hat den Handel mit menschlicher Arbeitskraft 2008 grundsätzlich verboten und auch eine Verfassungsklage einer im Land aktiven südafrikanischen Leiharbeitsfirma erfolgreich abgewehrt. Die Praxis „schmeckt nach dem Mieten eines Sklaven durch seinen Sklavenhalter“, begründete der Oberste Gerichtshof in Windhuk sein Urteil.

Erschienen am 7. Juni 2012 in junge Welt.