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Nebelbomben, Platin und Diamanten

26. November 2012 – 06:46

Das Ringen um Simbabwes Verfassung wird zur Endlos-Farce, doch der Verteilungskampf um die Ressourcen des Landes hat längst begonnen

So richtig zufrieden ist in Simbabwe eigentlich niemand mit dem neuen Verfassungsentwurf. ZANU-PF, die Partei von Präsident Robert Mugabe, brachte kurz vor einem möglichen Referendum ganze 266 neue Änderungswünsche an. Morgen Tsvangirai, der ehemalige Oppositionsführer der nach ihm benannten MDC-T, der seit den letzten Wahlen Premierminister der Regierung der nationalen Einheit ist, nennt den Entwurf immerhin „das bestmögliche Dokument“. Doch seine Unterstützer lassen oft genug durchblicken, dass Simbabwes mögliche neue Verfassung in ihrer jetzigen Form zwar besser als die alte, aber eben doch nur ein Kompromiss sei. Die geringe Liebe hat Folgen. Seit vier Monaten liegt der Entwurf nun vor, drei Jahre hatte eine Kommission zur Ausarbeitung gebraucht, dazu zumindest scheinbar die Zivilgemeinschaft einbezogen und in unzähligen Anhörungen die Bevölkerung befragt. Entschieden ist trotzdem noch nichts und nach wie vor könnte auch alles ganz anders kommen.

„Die größte Gefahr ist Mugabes Versuch den Prozess von der Kommission weg an sich zu ziehen“, warnt Qhubani Moyo auf einer Konferenz der Diaspora in Kapstadt. Der Universitätsdozent arbeitet für die MDC-N, den zweiten Flügel der gespalteten Quasi-Opposition, im für die Verfassungsfindung zuständigen Parlamentskomitee COPAC. Mugabe hatte kürzlich gedroht, die finalen Änderungen am Verfassungsentwurf aus den Händen des Komitees zu nehmen und in kleiner Runde mit den Oberhäuptern der beiden MDC-Flügel auszuhandeln. Die Zivilgesellschaft wäre so außen vor gewesen, die Macht der Politiker gestärkt. Tsvangirai schien dem Spiel daher zumindest anfänglich nicht abgeneigt, der Vorsitzende der kleineren MDC-N, Welshman Ncube, verurteilte allerdings den präsidentiellen Griff nach der Verfassung. In der vergangenen Woche setzte Mugabe schließlich selbst zum Rückzieher an und bat den Minister für Parlaments- und Verfassungsangelegenheiten, Eric Matinenga, die drei Parteioberhäupter über die weiteren Schritte zu beraten. Matinenga gilt als Befürworter einer breiteren Parlamentsentscheidung, doch ob er sich wirklich durchsetzen darf, oder das Manöver nur ein weiteres Zeitspiel ist, vermag niemand zu sagen.

Die Verfassungsfindung gerät damit immer mehr zu einem endlosen Verwirrspiel voller Wendungen und Nebelbomben. Mugabe stellt sich mitunter gar gegen die führenden Mitglieder seiner ZANU-PF im COPAC, doch eines ist klar: ZANU-PF will die derzeitige Schwäche der zerstrittenen MDC-Flügel ausnutzen und möglichst schleunigst wählen. Mugabe hat sich bereits auf einen Termin im März festgelegt, braucht dafür allerdings das Verfassungsreferendum. So will es die Staatengemeinschaft des Südlichen Afrika (SADC), deren Vermittlungskommission inzwischen ansonsten eine leise Schattenrolle spielt. „Es gibt kein Simbabwe-Programm“, sagt die geschäftsführende Direktorin des südafrikanischen Instituts für Menschenrechte, Corlett Letlojane, daher gar enttäuscht und schießt sich vor allem auf den SADC-Chefunterhändler, Südafrikas Präsident Jacob Zuma, ein. „Er hatte genügend Macht, um die simbabwische Regierung zur Ordnung zu rufen, er hatte alle Munition“, klagt die, „aber sein Umgang mit den Problemen Simbabwes ist enttäuschend.

Womöglich aber auch schlicht gewollt. Denn dass die SADC-Staaten trotz aller Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen und Korruption durchaus geneigt sind, mit Mugabe weiterzuarbeiten, zeigt sich derweil am Beispiel des wiederbelebten Diamantenhandels. Zu Jahresbeginn wurde Simbabwe erstmals wieder vom Kimberley Prozess, der den globalen Diamantenhandel überwacht, zertifiziert. Südafrikas Bergbauministerin Susan Shabangu ließ darüber hinaus in der vergangenen Woche wenig Zweifel daran, noch bestehende Sanktionen gegen simbabwische Diamanten abzubauen, sobald ihr Land den Vorsitz der Organisation Anfang 2013 übernimmt. Mugabe dürfte das frisches Geld und gesteigertes Ansehen seiner Unterstützer bringen. Hinzu kommen Fortschritte beim Indigenisierungsprozess im Bergbau, wo der weltgrößte Platin-Produzent Anglo American zunächst 51 Prozent seiner Unki-Mine zähneknirschend und unter Marktwert an lokale Investoren verkaufte und dennoch bereits eine neue Operation plant. Denn Verfassung hin oder her: Das Rennen um die Rohstoffkonzessionen im neuen, stabileren Simbabwe hat längst begonnen.

Erschienen am 26. November in junge Welt.