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Wettbewerbs-Tribunal spielt PR-Abteilung

3. Juni 2011 – 15:27

Südafrika macht Wal-Marts Weg auf den Kontinent frei, Gewerkschaften wütend

Grant Pattison hätte wohl kaum geglaubt, dass er so billig davon kommen würde. Nach monatelangen Verhandlungen, warnenden Kommentaren aus der Regierung und lautstarken Kampfesansagen der Gewerkschaften hat die südafrikanische Wettbewerbs-Kommission den Einstieg des globalen Discounter-Riesen Wal-Mart in den südafrikanischen Markt am Dienstag wohlwollend durch gewunken. Der Konzern übernimmt demnach für umgerechnet 1,7 Milliarden Euro 51 Prozent der südafrikanischen Discounter-Kette Massmart. „Wir werden unsere Strategie jetzt vorantreiben, um sicherzustellen, dass unsere Finanzbasis bereit ist, das Wachstum durch Neueröffnungen zu beschleunigen“, kündigte Pattison, bisher Vorstandschef bei Massmart, an. Sicher ist bisher aber nur, dass das Privatvermögen des Managers wächst – nach eigenen Angaben um umgerechnet 5,1 bis 6,1 Millionen Euro. Zur Schaffung von 3000 medienwirksam angekündigten Arbeitsplätzen ließ sich Wal-Mart freilich nicht verpflichten.

Das Tribunal legte dem Konzern lediglich auf, die zuständige Gewerkschaft SACCAWU, Teil des mächtigen Gewerkschaftsbundes COSATU, für einen Zeitraum von drei Jahren weiter anzuerkennen, zwei Jahre lang keine Mitarbeiter zu entlassen und umgerechnet rund 10 Millionen Euro in einen Fonds zum Aufbau lokaler Zulieferunternehmen zu investieren. Die Auflagen entsprechen exakt dem Kompromiss-Vorschlag, den der Konzern in dem Verfahren selbst eingebracht hatte. “Das riecht nach einer PR-Maßnahme” drückte sich COSATU-Sprecher Patrick Craven noch verhältnismäßig vorsichtig aus. Khulile Nkushubana, Generalsekretär der unabhängigen Gewerkschaft COSAWU nannte die Finanzauflagen „ein billiges Bestechungsgeld“ und SACCAWU sträubte sich in einer Erklärung gar dagegen, die Auflagen überhaupt als solche zu bezeichnen. Die Nahrungsmittel-Gewerkschaft sprach stattdessen von einer „Übertreibung, wenn nicht gar einer Geste der Kapitulation“.

Die Enttäuschung ist nachvollziehbar. Wal-Mart hat mit diesem Urteil die Möglichkeit, Arbeitervertretungen in nur drei Jahren komplett aus dem Unternehmen zu drängen – ein Szenario, das in vielen anderen Ländern bereits Wirklichkeit ist und auch den 14 weiteren afrikanischen Staaten droht, in denen Massmart Märkte betreibt. Wal-Mart kommt darüber hinaus mit einer blanken Absichtserklärung davon, 503 Beschäftigte „wenn möglich“ wieder einzustellen, die erst kürzlich von Massmart entlassen wurden. COSATU hatte erfolglos versucht, dem Gericht zu belegen, dass die Massenentlassung nur dazu diente, das Unternehmen für die Übernahme attraktiver zu machen.

„Unser Job in der Fusions-Kontrolle ist nicht, die Welt zu einem besseren Ort zu machen, sondern nur zu verhindern, dass sie durch eine Transaktion schlechter wird“, ließ die Wettbewerbs-Kommission in einer schleierhaften Stellungnahme wissen. COSATU befürchtet aber genau das und kündigt einen langen Kampf an. Sobald die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt, wollen die Gewerkschaften entscheiden, ob sie in Revision gehen oder direkt zu massiven Streiks aufrufen.

Erschienen am 3. Juni 2011 in junge Welt.