Wahlen in Südafrika: Funktionierende Demokratie

29. August 2016 – 09:40

Der Amtseid ist geschworen, seit Freitag ist es offiziell: Johannesburg hat einen neuen Bürgermeister und erstmals seit 1994 kommt der nicht vom African National Congress (ANC), sondern von der Opposition. Die einstige Befreiungsbewegung, die Südafrika seit dem Ende der Apartheid regiert, hat die größte Stadt des Landes verloren, ganz unspektakulär durch Wahlen. Und sie hat es hingenommen. All die düsteren Szenarien von Wahlfälschung bis hin zu marodierenden Parteimilizen, die den ANC nach diesem Tag X an der Macht halten würden: Sie bleiben in der Phantasie kreativer Medienschaffender gefangen. Südafrika, das hat diese Kommunalwahl gezeigt, ist eine funktionierende Demokratie.

Was „funktionierende Demokratie“ eigentlich bedeutet, wird nun aber auch klar: Es gewinnt in schwierigen Zeiten stets derjenige, der am lautesten „Change“ schreit. Alles soll sich ändern, auf diese Parole lässt sich das Programm der Democratic Alliance (DA) herunterbrechen. Das Gesicht dazu lieferte Herman Mashaba, ein Multimillionär, der nun 32 Aufsichtsratsposten aufgeben will – und seine Firmenbeteiligungen an seine Frau weiterreicht. So will er sich die Zeit für den neuen Job als Stadtoberhaupt freischaufeln und Interessenkonflikte vermeiden – oder eben aus seinem Kopf an den heimischen Küchentisch verlegen. Dieses Strohmannmodell ist kein „Change“, in der Sache kann Mashaba in den Reihen des ANC etliche Mentoren finden.

Ansonsten droht nun hauptsächlich Chaos. Denn Mashabas Gesicht brachte der DA zwar immerhin 38 Prozent bei der Wahl, damit aber keine Mehrheit. Die EFF, mit radikal linken Forderungen in den Wahlkampf gezogen, stimmte zwar für das New Kid on the Block, um den ANC zu ärgern, will ansonsten aber auch nicht mit dem großkopferten Geschäftsmann von den Neoliberalen spielen. Kurzum: Mashaba dürfte als Bürgermeister selten Mehrheiten genießen. Die Unterstützung aus der Staatsführung und der Provinzregierung – beide vom ANC gestellt – dürfte sich auch in Grenzen halten. Prognose: Die politischen Gegner haben es sich mit Popcorn und Cola auf der Couch gemütlich gemacht, um fortan das scheitern der DA abzufeiern.

Und Mashaba: Der Mann, der sein Imperium mit dem Verkauf von Haarglättungsmittelchen für schwarzes Haar aufbaute, soll nun eine neoliberale Weißenpartei wie einen Heilsbringer für die Mehrheitsgesellschaft aussehen lassen. Doch diese Tönung scheint leicht abwaschbar. Gleich vorweg posaunte Mashaba hinaus, er wolle die Stadt wie ein Unternehmen führen. Den Kommunalangestellten drohte er gleich mal mit einer Überprüfung ihrer Fähigkeiten und Leistungen. Wer kompetent ist, müsse sich keine Sorgen um seinen Job machen, heißt es aus dem Büro des neuen Bürgermeisters. Die Gewerkschaften, seit dem Anti-Apartheid-Kampf ohnehin mit dem ANC im Bunde, werden diese Einladung zum Kampf gern annehmen. Johannesburg hat die Wundertüte „Wandel“ gewählt und bekommt nun Blockade und Stillstand, oder anders ausgedrückt: funktionierende Demokratie.

Erschienen am 29. August 2016 in der jungen Welt.

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