Wahlen in Südafrika: Funktionierende Demokratie

29. August 2016 – 09:40

Der Amtseid ist geschworen, seit Freitag ist es offiziell: Johannesburg hat einen neuen Bürgermeister und erstmals seit 1994 kommt der nicht vom African National Congress (ANC), sondern von der Opposition. Die einstige Befreiungsbewegung, die Südafrika seit dem Ende der Apartheid regiert, hat die größte Stadt des Landes verloren, ganz unspektakulär durch Wahlen. Und sie hat es hingenommen. All die düsteren Szenarien von Wahlfälschung bis hin zu marodierenden Parteimilizen, die den ANC nach diesem Tag X an der Macht halten würden: Sie bleiben in der Phantasie kreativer Medienschaffender gefangen. Südafrika, das hat diese Kommunalwahl gezeigt, ist eine funktionierende Demokratie.

Was „funktionierende Demokratie“ eigentlich bedeutet, wird nun aber auch klar: Es gewinnt in schwierigen Zeiten stets derjenige, der am lautesten „Change“ schreit. Alles soll sich ändern, auf diese Parole lässt sich das Programm der Democratic Alliance (DA) herunterbrechen. Das Gesicht dazu lieferte Herman Mashaba, ein Multimillionär, der nun 32 Aufsichtsratsposten aufgeben will – und seine Firmenbeteiligungen an seine Frau weiterreicht. So will er sich die Zeit für den neuen Job als Stadtoberhaupt freischaufeln und Interessenkonflikte vermeiden – oder eben aus seinem Kopf an den heimischen Küchentisch verlegen. Dieses Strohmannmodell ist kein „Change“, in der Sache kann Mashaba in den Reihen des ANC etliche Mentoren finden.

Ansonsten droht nun hauptsächlich Chaos. Denn Mashabas Gesicht brachte der DA zwar immerhin 38 Prozent bei der Wahl, damit aber keine Mehrheit. Die EFF, mit radikal linken Forderungen in den Wahlkampf gezogen, stimmte zwar für das New Kid on the Block, um den ANC zu ärgern, will ansonsten aber auch nicht mit dem großkopferten Geschäftsmann von den Neoliberalen spielen. Kurzum: Mashaba dürfte als Bürgermeister selten Mehrheiten genießen. Die Unterstützung aus der Staatsführung und der Provinzregierung – beide vom ANC gestellt – dürfte sich auch in Grenzen halten. Prognose: Die politischen Gegner haben es sich mit Popcorn und Cola auf der Couch gemütlich gemacht, um fortan das scheitern der DA abzufeiern.

Und Mashaba: Der Mann, der sein Imperium mit dem Verkauf von Haarglättungsmittelchen für schwarzes Haar aufbaute, soll nun eine neoliberale Weißenpartei wie einen Heilsbringer für die Mehrheitsgesellschaft aussehen lassen. Doch diese Tönung scheint leicht abwaschbar. Gleich vorweg posaunte Mashaba hinaus, er wolle die Stadt wie ein Unternehmen führen. Den Kommunalangestellten drohte er gleich mal mit einer Überprüfung ihrer Fähigkeiten und Leistungen. Wer kompetent ist, müsse sich keine Sorgen um seinen Job machen, heißt es aus dem Büro des neuen Bürgermeisters. Die Gewerkschaften, seit dem Anti-Apartheid-Kampf ohnehin mit dem ANC im Bunde, werden diese Einladung zum Kampf gern annehmen. Johannesburg hat die Wundertüte „Wandel“ gewählt und bekommt nun Blockade und Stillstand, oder anders ausgedrückt: funktionierende Demokratie.

Erschienen am 29. August 2016 in der jungen Welt.

Fünf Gänge frei Haus – Weihnachtsküche auf südafrikanisch

24. Dezember 2012 – 08:48

Weihnachtszeit ist Sommerzeit in Südafrika. Die Tage auf der Südhalbkugel sind jetzt am längsten und wärmsten. Während sich die Halbwüste der Karoo bis zu 50 Grad Celsius aufheizt, bleibt das Thermometer am meeresgekühlten und steifen Brisen umwehten Kap der Guten Hoffnung allerdings meist in den angenehmen 20er- bis 30er-Regionen stehen. Das liegt nicht zuletzt am eiseskalten Benguela-Strom. Aus der Antarktis kommend sorgt er an der Westseite des südlichen Afrikas bis hinauf zum Äquator für Fischreichtum, aride Landstriche und schnell zurückgezogene Touristenfüße an den malerischen Stränden Kapstadts. Östlich der Kap-Halbinsel liefert sich die Strömung einen ewigen Kampf mit dem wesentlich wärmeren Agulhas-Strom, der seinen Ursprung in den wohltemperierten Gewässern Mosambiks und Madagaskars hat. Die Kombination aus wechselnd warmem Wasser und reichhaltiger Sauerstoff- und Planktonversorgung mit Absender Antarktis macht die Gewässer südöstlich von Kapstadt zum idealen Revier des Westküsten-Felsenhummers. Die staatlichen Schalentiere, die mit Klauen statt Scheren ihre Nahrung aus Muscheln, Seeigeln und toten Fischen zerlegen und deswegen eigentlich zu den Langusten gehören, sind die Hauptattraktion der Kap-Küche. Gut und gerne 20 Euro legt der geneigte Restaurant-Besucher für einen 300-Gramm-Portionshummer rund um Kapstadt auf den Tisch. Die Saison-Lizenz des südafrikanischen Fischereiministeriums ist dagegen mit knapp 9 Euro ein Schnäppchen, vier Langusten pro Fang-Tag darf der Hobby-Fischer damit zum Eigenverzehr an Land holen. Der Star meines Jäger-Sammler-Fünf-Gänge-Menüs steht damit fest, doch beginnen wir zunächst mit der Vorspeise.

Muscheln, Oktopoden, Schnecken – alles fangfrisch

Deren Hauptzutat bedarf zwar einer weiteren 9-Euro-Lizenz für Weichtiere, lässt sich dafür aber bei Flachwasser kinderleicht erlegen. Auf den trocken liegenden Granitfelsen der Brandungszone kommen dann nämlich riesige Miesmuschelkolonien zum Vorschein. Jetzt im Sommer haben sie schon gut Fleisch angesetzt und landen neben ein paar Tomaten, reichlich Knoblauch und Frühlingszwiebeln in einer cremigen Muschelsuppe. Der Schnittlauch im Garten ist auch bereits reichlich gewachsen und garniert den Menü-Einstieg. Wenn es am Kap übrigens ein wirklich traditionelles Gericht gibt, dann dürften das die Muscheln sein. Denn lange bevor die Europäer das Gebiet eroberten, lebten hier die Khoisan, von den Siedlern als Buschleute bezeichnete Ureinwohner des südlichen Afrikas, deren einstige Leibspeise sich noch heute anhand der Muschelschalenhalden in der Nähe etlicher Höhlen entlang der Küste ablesen lässt.

Auf reichlich Regen folgen am Kap reichlich Reizker.

 

Für den folgenden kleinen Zwischengruß aus der Naturküche bedurfte es dagegen des europäischen Einflusses, genauer gesagt der weitreichenden Kiefernplantagen, die sie in der eigentlich von Feinbusch dominierten Landschaft angelegt haben. Mit den Kiefern kamen so nämlich auch Steinpilze, Reizker, Maronen und Perlpilze ans Kap, die dank des gemäßigten Klimas gleich zweimal jährlich sprießen, im Frühjahr und im Herbst. Einzige Voraussetzung ist ein heftiger Regenguss. Weil sich die Himmelstore um Weihnachten allerdings nur höchst selten öffnen, müssen hier in der Regel die November-Steinpilze aus dem Tiefkühlschrank herhalten. In große Stücken geschnitten und gemeinsam mit gesäuberten, abgebrühten Periwinkles (einer kleinen, nussig-aromatischen Seeschnecke) werden sie in Butter, Salz und Pfeffer angebraten und schließlich auf Zahnstocher gespießt. Ein paar geröstete Pekannüsse vom Baum im Garten liefern schließlich die Beilage.

Noch ein köstlicher Eindringling: Steinpilz am Tafelberg.

Doch raus aus dem Wald und rein ins Meer. Herrlich winden sich die Talstraßen aus dem Helderberg-Höhenzug östlich von Kapstadt hinunter durch das Weinland in Richtung der im November bei paarungswilligen Walen äußerst beliebten Walker-Bucht. Keine Sorge, auf meinem Zutatenzettel für das Weihnachtsmenü steht ein wesentlich kleinerer Zeitgenosse: der Oktopus. In den natürlich geformten Steinbecken, die bei Ebbe nur noch alle paar Minuten mit dem Frischwasser großer Wellen versorgt werden, liegt das Revier der äußerst intelligenten Weichtiere. Die aggressive Verteidigung ihres Territoriums gegen Artgenossen wird den Kraken allerdings zum Verhängnis – und den mit der Taucherbrille umher watenden Fischern zum Vorteil.  Ein Gummi-Tintenfisch am Gaff lockt und zieht die achtarmigen Tiere aus ihrer Felsspalte. Nach einer Stunde bei niedriger Hitze im Ofen ist ihr Fleisch angenehm zart und zusammen mit den frischen Bohnen aus dem Garten perfekt für eine kleine, dunkle Paella geeignet. Ein paar Muscheln oder Hummerstücke ergänzen das Gericht ganz gut.

Es lebt und diniert sich nicht schlecht aus dem Korb des Meeres, doch mühelos ist das Unterfangen nicht. Wer sich durch die brechenden Wellen ins kalte Wasser kämpft, bemerkt recht schnell, dass die Delikatessen erst mit wachsendem Aufwand immer ausgefallener werden. In zwei bis fünf Metern Tiefe bevölkert schließlich eine Seeschnecke namens Turbo Sarmaticus den Meeresboden. Die gewundene Schale der Wasserpflanzenfresser, die die Südafrikaner Alikreukel nennen, geht in Europa in geschliffenem Zustand für relativ viel Geld über die Ladentische. Die Menschen am Kap sind dagegen hauptsächlich an dem reichen, zähen Fleisch der Tiere interessiert. Der gesäuberte Fuß und Körper der stämmigen Schnecke kommt in den Fleischwolf, wird mit Ei, Knoblauch, Semmelmehl, Salz, Pfeffer und gehackten Chili-Schoten vermengt und schließlich zu Bouletten gebraten. Eigentlich könnte man in dieser Speise schon versinken, doch um die Bestände nicht zu überfischen, dürfen nur fünf Schnecken gefangen werden – weshalb in der Tauchtasche noch etwas Platz für den König der Kap-Küste bleibt.

Fangplatz Kelp-Dschungel: Die Unterwasser-Bäume bremsen die harte Brandung und bieten neben Hummern und Schnecken auch schnorchelnden Jägern Schutz.

Argwöhnisch ragen seine langen lehmrot-grau-gestreiften Fühler aus kleinen Felsspalten und Überhängen jenseits der Gezeitenzone hervor. Harmlose gestreifte und gepunktete Riff-Haie verstecken sich hier im Dschungel der baumlangen Unterwasserpflanzen, Miniatur-Korallen wachsen neben buntem Seegras, das auch scheuen Fischen und knallroten Seesternen als Lebensraum dient. An Glückstagen taucht sogar eine Robbe oder eine Gruppe Delfine vor der Taucherbrille auf. In dieser kalten, häufig wellig-rauen, aber doch so unheimlich schönen Unterwasserwelt lauert er, der Westküsten-Felsenhummer, stets zum Rückzug in seine Höhle bereit. Fischer kommen ihm mit Muschelködern und Ringnetzen bei. Doch der Königsweg zu den größten Exemplaren, der hier bis zu 1,5-Kilogramm schweren Langusten ist noch immer der flinke Griff des abtauchenden Schnorchlers. Verkeilt sich der Hummer dann in seiner Höhle, entwickelt sich ein Kampf um Leben oder Genuss, zeitlich begrenzt durch den eigenen Atem. Sauerstoffflaschen sind beim Beutezug nämlich verboten, die Südafrikaner wollen die Jagd fair halten und räumlich auf die flacheren Zonen einschränken. So schwierig der Fang ist, so kinderleicht ist die Zubereitung. Der getötete Hummer wird längs in zwei Hälften geteilt und mit der Schale nach unten auf dem Grill unter stetigem Bestreichen mit Knoblauch-Butter langsam gegart. Dazu passt ein Chardonnay vom Vorjahr, den es direkt auf den Weinfarmen gibt, wo sich die 2013er-Reben gerade ihre letzten Sonnenstunden vor der Ernte im Januar und Februar holen. Der gute Tropfen bleibt bei diesem Menü neben ein paar Grundnahrungsmitteln so ziemlich das einzige, das Geld kostet. Den Rest liefern am Kap die Gaben der Mutter Natur. Frohe, köstliche Weihnachten!

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er vorher lesen

4. Dezember 2012 – 07:57

Es ist vollbracht. Nach mehrfachem Baumpflanzen mithilfe von Rum, Coke und Limetten habe ich nun die zweite große Aufgabe meines Männerdaseins hinter mich gebracht. Nein es weder vier Wände noch Dach und es schreit auch nicht, es schweigt eher wie ein Buch. Wie ein Reiseführer, um ganz genau zu sein.

Grenzen meiner Recherche…

Ich muss ja gestehen, dass dieser Moment, das Päckchen mit den Belegexemplaren auszupacken und das erste echte Buch in Händen zu halten schon ziemlich viel Begeisterung hervorrief. Mich erinnerte es kurz an die Zeiten der ersten Praktika und Zeitungsausschnitte des ersten eigenen Zeitungsartikels. Hach, waren das Zeiten.

Äh ja, zurück in die Gegenwart. Der Inhalt ist schnell zusammengefasst: Knapp drei Monate lang habe ich nahezu jeden Winkel von Namibia bereist und die erlangten Informationen und Eindrücke anschließend in 144 Seiten Marco Polo gepresst. Das Ergebnis passt nun in jede größere Jackentasche, in die man dann abends am Lagerfeuer unterm Sternenzelt der Namib-Wüste greifen kann und mit der Taschenlampe den nächsten Tag plant. Oder man liest es vorm Urlaub zu Hause, oder man kann sich gar keinen Urlaub erlauben, weil der Job ja sooo wichtig ist und liest nur für die Inspiration, ist mir doch egal. ISBN 978-3-8297-2551-4 ist das Zauberwort im ordentlich sortierten deutschen Buchhandel und Namibia gehört euch.

Auch dies ist tatsächlich eine Unterkunft – spartanisch, aber relativ hochwassersicher.

Bittere Trauben

20. November 2012 – 16:24

So so, “die Auswahl von ANC-Gemeinderäten im vergangenen Jahr war voller Manipulationen und ernster Unregelmäßigkeiten“, berichtet der Sunday Independent vorgestern. So wirklich neu ist das nicht, entsprechende Berichte und innerparteiliche Anwürfe kursieren seit langem, es gab sogar Demonstrationen gegen unliebsame Provinzfürsten. Nun hat aber das von der Regierungspartei selbst eingesetzte Task-Team unter Leitung der Vorsitzenden der Afrikanischen Union, Nkosazana Dlamini-Zuma, seinen Bericht vorgelegt, das ist natürlich eine Erwähnung wert. In 419 Wahlkreisen hat die Kommission demnach ermittelt. Ja, wirklich, 419. Der Zahlencode für billigen Email-Betrug bringt Schelme wie mich natürlich zum Lachen, die kleinen Heiterkeiten des nerdigen Korrespondenten, der sonst nichts zu lachen hat. Wirklich lustig ist es aber natürlich nicht.

Außerhalb des Büros wird das schnell klar, wie neulich im Dorf De Doorns. De Doorns, gut anderthalb Stunden nordöstlich von Kapstadt im malerischen Hex River Valley gelegen, kennen die meisten Südafrikaner nur vom Ortsschild an der Fernstraße N1, die die ruhige Mutterstadt am Kap mit der hektischen Finanzmetropole Johannesburg verbindet. De Doorns ist dieser Tage weder ruhig noch hektisch. Es ist im Grunde genommen explodiert. Denn in den hübschen, grünen Weinfeldern rund um das Örtchen mit seinen 9000 Einwohnern, zwei Supermärkten, der protzigen Dutch Reformed Church und der zurzeit ungewöhnlich emsigen Polizeistation hat sich seit Jahrhunderten ein Arbeitssystem bewährt, bei dem den Farmsklaven am Ende nichts übrig bleibt, als zu schuften, zu klagen und ihre Kinder irgendwann in den gleichen Kreislauf einzuarbeiten. Die Leibeigenschaft ist hier natürlich auf dem Papier auch längst abgeschafft, was den Farmern die Möglichkeit gibt unliebsame Arbeiter rauszuschmeißen und aus ihren Behausungen vom Hof zu jagen. Offiziell wird auch niemand mehr mit billigem Wein bezahlt, aber wer bei Tageslöhnen um die 6 Euro, real nicht existierenden Bildungschancen und hungernden Existenzen in windschiefen Wellblechhütten ohne Dusche von etwas anderes als Sklaverei redet, müsste mir schon noch einmal seine Definition von Freiheit erklären. Die Farmarbeiter sahen das ähnlich. Sie streikten, sie wüteten, sie blockierten die Straße mit Felsbrocken, sie plünderten, sie zündeten die Weinstöcke an – und sie haben doch keine Chance.

Stell dir vor, es brennt und keiner sieht hin.

Denn auch wenn die Farmer hier natürlich mehrheitlich Weiße und stramme Gegner des ANC sind, der die schöne heile Apartheid-Welt zumindest anderswo zum Einstürzen brachte, ist es doch auch jene Zahl 419, die hier zuschlägt. Es ist der Betrug am Volk. Es sind die Vorwürfe gegen die lokalen ANC-Oberhäupter, nebenbei als Zeitarbeitsverleiher am Elend ihrer Untertanen zu verdienen und es ist die Verlogenheit einer Streikführung, die sieben Euro am Tag als Sklavenlohn bezeichnet, aber das Parteibuch jenes ANC in der Tasche hat, der 6 Euro am Tag als Mindestlohn festschreibt.

Ich sollte nicht so undankbar sein, ich hatte doch meinen großen Moment, als der vermeintliche Streikführer zwischen all seinen revolutionären Parolen auf die große Wirkung des Streiks verweist, weil ein paar Meter vor ihm ja sogar ein Journalist aus Deutschland stehe. Nicht, dass ich mit meiner mitteleuropäischen Blässe unter den Streikenden nicht ohnehin aufgefallen wäre, aber so viele Augen auf einmal, das ist schon komisch. Auch wenn das Thema gar nicht komisch war und die Rolle des Redners – wie ich jetzt weiß – eben auch nicht. Der gute Mann dient neben seinem Job als Präsident einer ANC-nahen Gewerkschaft nämlich vor lauter Engagement gleich auch noch als Vorsitzender einer schwarzen Wein-Kooperative, deren Investoren gleichzeitig wesentliche Anteile an wichtigen weiteren Traubenveredlern in der Region haben. Ein scheinendes Beispiel der Transformation weg vom weißen Monopolgewerbe hin zum schwarzen Unternehmer? Oder doch ein Interessenkonflikt? Ich weiß es in seinem Fall wirklich nicht, aber die Ungewissheit ist Teil des Problems.

Posieren vorm Polizeitransporter: Kinder in De Doorns.

„Manchmal sind unsere Leute die schlimmeren Bosse“, sagt eine farbige Aktivistin. Und dann erfahre ich noch von einem Streik von unten, organisiert durch die Arbeiter eines Weinguts, die den ganzen Prozess erst ins Rollen brachten und den anschließenden, aufgescheuchten Kampf der politischen Dorfelite um die Lenkung des Aufstands. Es geht um Ansehenswahrung, um Führungsansprüche und damit um Marktanteile auf dem jetzt nach Streikende wieder florierenden Sklavenmarkt. Die Farmer, die sich so gern über die korrupte, neue Elite ereifern, werden dann wieder genau mit diesen Geschäftspartnern zusammenarbeiten, sich von ihnen die billige Arbeitskraft besorgen lassen, die die eigenen Profite erarbeiten darf und das Ausbeutungsspiel bis zum nächsten politisierten Streik fröhlich mitspielen. Sie brauchen eben den Feind, der seine Leute verkauft. Das war es dann aber auch schon mit dem gesellschaftlichen Wandel, mit der Regenbogenrevolution im ländlichen Südafrika. 419-Country passt da tatsächlich besser. Wenn der Betrug wieder aufgeht, gibt es bald wieder saftige Weintrauben made in South Africa in deutschen Supermärkten. Einfach den leichten Staubfilm aus Lüge, Verrat und Apartheid abwaschen und dann guten Appetit!

Zum Wegfliegen: Piraten klauen den Titel, Chiefs werden zu Schwalben

25. Mai 2012 – 09:46


Fifa konforme Stimmung in “Soccer City”, das Fans nach einem alten Sponsor noch immer lieber FNB nennen

Fünf Minuten vor dem Ende kam doch noch Stimmung auf in Soccer City, Johannesburgs WM-Fußball-Tempel, wo sich ein paar tausend Unentwegte zumindest Teilzeit den lahmen Saison-Abschluss ihrer Kaizer Chiefs reinquälten. Die restliche Aufmerksamkeit galt nicht etwa dem unbedeutenden Gegner Amazulu FC, einer namenlosen Truppe aus dem Tabellenniemandsland, sondern dem eigenen Handy-Display. Denn zeitgleich kämpfte Erzrivale Orlando Pirates mit dem dritten Traditionsclub Sowetos, den Moroka Swallows, um die Meisterschaft. Letztere, in Südafrika freundlich „Vögel“ getauft, mussten gewinnen und auf einen Patzer der Piraten hoffen – ein Szenario, das auch den Chiefs-Anhängern gefallen hätte, wie die kollektiv ausgebreiteten Arme verrieten, die nun frenetisch auf und ab flatterten.
Chiefs gegen Pirates, das ist das „Friendly Derby“ in Südafrika, das Duell der beiden größten Clubs mit den meisten Anhängern überall im Land. Ausgetragen wird es allwöchentlich in dutzenden Fußballstadien Südafrikas, wo mit riesigen Plastiksonnenbrillen und ausgeschmückten Minenarbeiterhelmen ausgestattete Anhänger beider Lager gegeneinander ansingen und spotten – völlig unerheblich, ob auch nur wenigstens eines ihrer Lieblingsteams sich gerade auf dem Rasen befindet. Südafrika ist schlicht zu groß und die Fußballfans mehrheitlich zu arm, um ihren Teams zu Auswärtsspielen zu folgen. Daher feiern sie ihre Helden einfach im nächstgelegenen Stadion, egal wer gerade spielt. Sperrige Zäune mit Metallzacken und prügelnde Polizeiroboter brauchen die Südafrikaner dabei nicht, Fußball ist in der Kaprepublik eine friedliche Veranstaltung.
Am letzten Spieltag in der einstigen WM-Arena ähnelte sie allerdings fast einer Beerdigung. Siphiwe Tshabalala, der an gleicher Stelle vor knapp zwei Jahren mit seinem Tor im WM-Eröffnungsspiel vor 90.000 Fans zum Volkshelden wurde, stand zwar auf dem Platz, war aber nur an seinen langen Rasta-Zöpfen wiederzuerkennen. Vor dem Stadion gingen die Tickets nun nicht zu Mondpreisen sondern für umgerechnet 2 Euro zum halben Einkaufspreis weg, die Verkäuferinnen an den offiziellen Kassenhäuschen blieben beschäftigungslos und in dem mittels Kalabassen-Design auf vermarktbares Afrika-Design getrimmten Schmuckkästchen blieb es ohnehin weitestgehend leer. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen dürften die Anhänger der Chiefs kaum noch wissen, wo ihr Team am Wochenende spielt, weil das Club-Management die Heimspiele an immer neue Arenen verkauft, die sich nach der WM mit Nägeln und Klauen gegen den völligen Leerstand stemmen. Zum anderen hat die südafrikanische Fußballliga den zentral festgesetzten Kartenpreis in der Umnebelung Blatterscher Euphoriegebete vor zwei Jahren einfach mal verdoppelt.
Die Spielqualität zog allerdings nicht annähernd nach. Uninspirierte Ball-Stafetten ohne Torschussabsicht verleiteten Ace Khuse, einstiger Star und aktueller Coach der glanzlosen Glamour Boys, wie die Chiefs im Volksmund firmieren, daher zu drei frühen Wechseln. Das nutzten jedoch einzig die Zulus aus Durban für einen gezielten Tritt fortan verletzungsbedingte Überzahl. Weitere Angriffe auf Ball, Tor und Leben blieben aber aus. Immerhin einen Höhepunkt hatte Amazulu-Torwart Tapuwa Kapini den gelangweilten Fans allerdings noch zu bieten, als er Mitte der zweiten Halbzeit beim Irrlauf durch seinen Fünfmeterraum ohne Ball- und Feindeinwirkung einen Schuh verlor und anschließend stärkere Probleme beim Schleife-Binden offenbarte. Schallendes Gelächter im weiten Rund, auch so können Spiele verlaufen, in denen es um nichts geht.
Während der starke Wind das Stadion immer mehr mit im Licht der tiefstehenden Sonne gebrochenen Staub von der benachbarten Minen-Abraumhalde einnebelte, half eigentlich nur noch das Angebot der Getränkeabteilung. Die entledigten sich vor der Sommerpause ihrer Schwarzbierbestände zum Preis von 1 Euro für zwei Halbliterdosen. „Wir haben Spaß“, kommentierte mein sichtlich angeheiterter Sitznachbar beim fröhlichen Zuprosten. Das Spiel kann er nicht gemeint haben und auch die Nachrichten von fremden Plätzen gereichten am Ende nicht zur Schadenfreude, all der Ornithologie zum Trotz. Der rundliche Seeräuber Benny McCarthy, einst wesentlich Schlanker und als einziger Südafrikaner überhaupt 2004 Champions-League- und Weltpokal-Sieger mit dem FC Porto holte die von den Chiefs favorisierten Vögel mit zwei späten Treffern aus dem siebten Himmel. Die Piraten hatten den Titel geklaut, das Telefon klingelt, die Quintessenz des seeräuberischen Anrufers: „Haha.“


Stadion-Kalabasse, Parkplatz-Acker, Johannesburg (von rechts)

Die Kuchenkapitulation einer revolutionären Partei

4. Mai 2012 – 11:34

Ich könnte hier jetzt über die Nachricht von den drei Damen aus Simbabwe schreiben, die gestern durch die Gazetten geisterte. Den Ladys war vorgeworfen worden, Männer zu vergewaltigen, um deren Samen abgefüllt in Kondome zu gewinnen. Nach genetischen Tests wurden sie allerdings von den Vorwürfen frei gesprochen – an den 31 benutzten Verhüterlis, die die Polizei im Kofferraum gefunden hatte, waren keine DNA-Spuren der Opfer. Ob angesichts der Tatsache, dass die wahren Täterinnen nun immer noch freiläufig sind, ein massiver Männertourismus nach Simbabwe eingesetzt hat, ist mir allerdings nicht bekannt. Deswegen schließe ich dieses Thema hier ab, es ist mir auch viel zu klamaukbeladen und für Klamauk haben wir ja in Südafrika den ANC.

Die Mitnahme von Heißgetränken zu ANC-Events (hier Schlange zu sowas Ähnlichem: Präsidentschaftswahl 2009) ist auch zukünftig nur bedingt sinnvoll, Hoffnung auf begleitendes Gebäck besteht nicht.

Dessen Vorsitzende Baleka Mbete sorgte dem nahenden Anlass passend kurz vorm 1. Mai mit ihrer Auswertung der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag der einstigen Befreiungsbewegung und jetzigen Regierungspartei für ein beträchtliches Nachrichtenaufkommen. Der ANC-Geburtstag war zwar schon am 8. Januar und Mbete mit ihrem Report für nachrichtliche Zwecke eigentlich recht spät dran, doch die Erkenntnis der Feier, auf der Präsident Jacob Zuma noch mit für die verarmten Massen so bedeutungslosen Lippenbekenntnissen wie „Die wichtigste Aufgabe ist es, die demokratische Revolution zu beschleunigen“ langweilte, verblüfft vollends: „Es wurde vorgeschlagen, das auf zukünftigen 8.-Januar-Feiern das Essen von Kuchen privat gemacht werden sollte, da es nichts Gutes verheißt vor unseren Mitgliedern und Anhängern zu essen, während diese nicht essen“, ließ das Papier wissen.

Welch revolutionäre Erkenntnis! Gedanken an Brechts Resolution der Kommunarden, an Fensterscheiben und Brot kommen auf (hier sehr schön interpretiert zum Nachhören). Das geht natürlich nicht, dass Politiker sich ein großes Stück vom Kuchen nehmen, während die Habenichtse zuschauen. Das muss heimlich geschehen! In Zukunft will der ANC dem Report zu Folge bei seinen Feierlichkeiten zwar allen Ernstes eine Torte präsentieren, sie dann aber nicht öffentlich verzehren. ANC-Sprecher Jackson Mthembu wusste sogar zu berichten, dass die Partei über Alternativen nachdenke, beispielweise die Torte einem Waisenheim zu spenden. Potzblitz! Man müsse überlegen, wie man die Sache mit dem Kuchen weniger unsensibel gestalten könne, so Mthembu. Fast, so scheint es, hätte er öffentliches Kuchenessen mit dem neuen Modewort „un-ANC“ bedacht, eine Abwandlung des für Widerlichkeiten aller Art verwendeten Klassikers „unafrikanisch“, die Mthembu neulich für das Verhalten des in Ungnade gefallenen und nun suspendierten Jugendliga-Präsidenten Julius Malema gewählt hatte.

Soweit kam es freilich nicht, dennoch verblüfft die Kuchen-Saga. Ich hatte ja während der Live-Übertragung der Feierlichkeiten schon geschluckt (mein eigenes Bier), als der südafrikanische Vizepräsident Kgalema Motlanthe mit dem Spruch „Und diejenigen, die kein Champagner-Glas haben: Immerhin habt ihr Kameras in euren Händen“ zu „Solidarität“ und „Einigkeit“ mit der Führungsspitze anstieß. Das Saufen im Namen des Volkes wollen die Großkopferten allerdings nicht aufgeben, zumindest ließen sie derlei Pläne nicht verlauten. Soviel Änderungen auf einmal wären aber wahrscheinlich auch einfach zu revolutionär für den ANC.

Ausflug ins Paradies

15. April 2012 – 18:14

“Taxi?” – eine einzelne, schüchterne Frage, kein Schwarm nach Aufträgen dürstender Asphaltcowboys, keine aufdringlichen Kofferträger und hinter dem Ausgang gleich ein dominantes Granitmassiv, dicht bewachsen in paradiesischem Grün. Ganz klar: Die Ankunft auf den Seychellen hatte ich mir anders vorgestellt. Ich ließ den Taxifahrer ignorant stehen, vermied jeglichen Blickkontakt und war ein paar Minuten später selbst beschämt über mein in Kapstadt, Johannesburg, Windhuk und sonstwo antrainiertes Verhalten.


Die Seychellen sind anders, das sollte auch die Fahrt über die Hauptinsel Mahé mit der malerischen Hauptstadt Victoria zeigen, die wie eine Mischung aus Fischerdorf und ländlichem Provinzzentrum wirkt. Armenviertel gibt es nicht. Das Bild zog sich durch den gesamten Arbeits-Urlaub, in neun Tagen hat mich nicht ein Mensch angebettelt, für die Leihfahrräder gibt es mangels Dieben keine Schlösser und selbst sichtlich beschwippste, alte Männer, die vorm Kiosk im Schatten sitzen, grüßen mit einem anstandsgeladenen „Bonjour“.


Der lokale Radiosender heißt Paradise FM und beschreibt seine Heimat damit betreffend. Gemeint sind damit nicht nur die Korallenriffe, wo sich rote, gelbe, blaue, hellsilbrige, mattschwarze, hochrückige, kreisförmige, dickliche, aaldünne und torpedoartig schnittige Fische nebeneinander tummeln – Haie, Roch und Meeresschildkröten, Kalamare, Kaui-Schnecken und Felsenhummer nicht zu verschweigen. Gemeint sind auch nicht nur die von Granitklippen durchzogenen Dschungel, in denen Mango- und Avocadobäume neben Bananenstauden und Kokospalmen wild wachsen. Nein, das Paradies beschreibt auch die Kultur der Seychellen, wo selbst die betrunkenen Teenager am Samstagabend auf der Hafenmole nicht auf die Idee kämen, einen ahnungslosen Urlauber aufzuziehen, während die Inselpolizistin am Schreibtisch hinterm Fenster in einen dicken Schmöker vertieft ist.


Robinson Crusoe pur sind die Seychellen nicht mehr, auch La Digue nicht, die einst autofreie Nebeninsel, auf der ich das Gros meiner Zeit verbrachte. Aber die Inseln haben zufriedene Einwohner hervorgebracht, die mit dem Tourismus ein gutes, entspanntes Leben führen können. Armstrong, der Wirt meines kleinen Gasthauses, war einer von ihnen, ein sanfter Bär von Mann, der mir zur frühmorgendlichen Abreise drei Passionsfrüchte mit auf den Weg gab. Die schmecken nach Paradies wie kein anderes Obst, sind im Abgang aber säuerlich, als wollten sie mich daran erinnern, dass mein Aufenthalt in der Traumwelt endlich war. Die nächsten Stationen hießen Johannesburg und Kapstadt, ich habe bereits wieder dutzende Kofferträger und Taxifahrer ignoriert.

Fick das System

14. März 2012 – 14:23

Hat sich zufällig in jüngerer Vergangenheit mal jemand gefragt, was eigentlich aus der Opposition in Simbabwe geworden ist? Nein? Man hört ja auch nicht gerade viel und das liegt in der Regel nicht daran, dass dieser superbrutale Schurkenpräsident Robert Mugabe seine berüchtigten Kriegsveteranen, die eigentlich eher eine üble Schlägertruppe als tatsächliche Ex-Soldaten sind, auf alles hetzt, was sich irgendwie äußert. Gut, seine Polizei hat neulich eine Vorlesung des südafrikanischen Privatisierungsgegners Patrick Bond zu grünen Energien verboten, das ist nicht sonderlich demokratisch. Doch dafür wird Mugabe nicht kritisiert, grün angestrichene Linke zählen schließlich nicht viel, das Schicksal haben sie mit Mugabes nicht-weißen Landsleuten gemein, die er schon in den 80ern aus ethnisch-politischen Gründen systematisch hat verhungern lassen, als die Weißen noch lustige Bauernpartys in ihren Farmhäusern feierten.

Doch zurück in die Gegenwart, wo die Opposition theoretisch an der Macht beteiligt ist, sich aber hauptsächlich selbst im Weg steht. Wenig geholfen hat da auch die Spaltung in eine nach dem nicht sonderlich clever wirkenden Ex-Gewerkschafter und Freund des Westens Morgan Tsvangirai benannten MDC-T –Fraktion und eine MDC-X, benannt nach seinem internen Widersacher, der allerdings so unbedeutend ist, dass ich es mir spare, ihn nachzuschlagen. Mugabe steht nun vor dem ironischen Dilemma, dass er Wahlen abhalten möchte, ihm das aber als undemokratisch ausgelegt wird, obwohl es aus seiner Sicht doppelt Sinn macht, weil er nach den von Gewalt- und Betrugsvorwürfen überschatteten vergangenen Urnengängen ein ziemliches Legitimationsdefizit hat und der politische Gegner derzeit eben so herrlich zerstritten ist. Die Regierung der Nationalen Einheit blockiert sich außerdem permanent selbst, was der Entwicklung des Landes auch nicht unbedingt zuträglich ist.

Und dennoch hat sich Simbabwe – unbeachtet von meiner auf Krisen fixierten Berufsgruppe – langsam wieder aufgerappelt. Ich vernehme das unregelmäßig von Simbabwern, die zurückkehren wollen, die erzählen wie ihre Familien sich neue Existenzen im Land aufbauen oder wie erleichtert sie über das Ende der Inflation sind. Die wohl vielsagendste Szene war neulich ein Gespräch zwischen meinem ehemaligen Fußballtrainer, den ich in Walmer Township besucht hatte und einem Herrn in seinem Pick-up, der sich gerade auf den Weg zurück nach Simbabwe machen wollte. Die beiden kannten sich aus dem Township. „Es ist jetzt besser“, sagte der Simbabwer nur knapp über den Zustand in seiner Heimat, „und die Bildung für die Kinder ist auch besser.“ Das sind wohlgemerkt alles Exilanten und nicht irgendwelche regimetreuen Kader. Doch die Aussage hat noch eine zweite Dimension: Ich hatte den Tag über gerade über die Bildungskrise in Südafrika recherchiert, wo der Präsident alljährlich in seiner Rede an die Nation die Lehrer auffordert wenigstens sieben Stunden täglich zu arbeiten und pünktlich im Klassenzimmer zu sein. Er tut das, weil viele ganze Tage über gar nicht aufschlagen. Und die Lehrer tun das, weil die Arbeitsbedingungen katastrophal sind. Das arme Simbabwe scheint da den Wandel geschafft zu haben, für den das reiche Südafrika nicht einmal ein stichhaltiges Konzept hat. Vielleicht hört man auch deswegen so wenig von der dortigen Opposition, denn deren Berater waren auch seit jeher Südafrikas Berater und die predigen globale Marktorientierung und Privatschulen.

Neulich hat es aber doch mal wieder eine MDC-Politikerin international in die Medien geschafft. Priscilla Misihairabwi-Mushonga, Generalsekretärin der MDC-N (so heißen die also), forderte Männer der eher oppositionellen Ndebele-Minderheit auf, ihre Frauen mit einem Sex-Boykott zu belegen, wenn sie nicht durch den üblichen Tintenfleck auf dem Finger belegen können, bei der Wahl gewesen zu sein.  Ein Termin steht zwar noch nicht fest, aber es ist doch beruhigend, dass wenigstens die Gegner dieses Wahlen fordernden Demokratiefeindes Mugabe das Konzept von freien Abstimmungen verstanden haben.

Aufgetaucht

17. Januar 2012 – 16:52

Nach einem steinpilzreichen Weihnachtsfest begann das neue Jahr mit einem Skandal (auch wenn der eigentlich schon in 2011 angekündigt war). Die südafrikanische Fischereibehörde hat die Saison für Hobby-Langustenfischer wie mich drastisch eingeschränkt. Durfte man in vergangenen Jahren noch bis in den April zwischen den Unterwasser-Felsspalten nach leckeren Krustentieren suchen, ist dieses Jahr mit Ausnahme des Osterwochenendes schon am 15. Januar Schluss. Die Lizenz ist natürlich trotzdem teurer geworden.

Der Blick aus dem Zelt am Weihnachtsmorgen.

Ein wahrlich frohes Fest für Pilzverrückte…

Um dieser drakonischen Einschränkung meiner Lebensqualität ein deutliches Schnippchen zu schlagen, war ich also in den vergangenen zwei Wochen mehr unter der Wasseroberfläche als darüber zu finden. Einzig und allein, um für reichlich Nahrung im Haus zu sorgen natürlich, auch wenn so mancher Tauchgang schon noch das ein oder andere Extra-Schmankerl zu bieten hatte.

Die Fanggründe als Suchbild.


Beim genaueren Betrachten zeigen sich meine neuen Freunde.

Neben zwei Robben besuchte mich einmal gar ein ganzer Schwarm Delfine, einige davon waren so neugierig, dass ich sie hätte berühren können, aber das war mir dann doch nicht ganz geheuer. So ein Delfin hat doch auch ein relativ großes Maul und ist überhaupt wesentlich wendiger und schneller im Wasser als ich das von mir behaupten würde. Auch die Robben habe ich in Ruhe gelassen, zumal ich deren Gesellschaft wegen ihrer Haupt-Fressfeinde sowieso nicht sonderlich schätze.

Der Fang des Tages – oder eine gute Paella.

Wesentlich mehr Euphorie lösten neben den erwähnten Langusten außerdem die geheimnisvollen Oktopoden, von denen einer ebenfalls den Weg in meinen Kochtopf fand, sowie etliche Arten von Seeschnecken, Pocken und Muscheln aus, die sich alle hervorragend in allerlei Meeresfrüchte-Gerichten machen. Nachdem die Pilze den Anfang gemacht haben, erreicht meine Selbstversorgung also ein neues Niveau. Weil die Vermieter die Erzeugnisse ihres Obst- und Gemüsegartens teilen und sogar hin und wieder ein paar Eier der mit Meeresfrüchte-Resten dick gefütterten Hühner verschenken, brauche ich eigentlich nur noch eine Kuh für die Sahne und ein Getreidefeld für die Nudeln, dann wäre die Sache rund.  Bis es soweit ist, werde ich meiner alten Schreiberlings-Profession allerdings noch ein wenig nachgehen, um die kleinen Ernährungszusätze gegen Bares zu tauschen. Zumal mich der eingangs angeprangerte Langusten-Skandal ja sowieso stark in meinem Jäger-und-Sammler-Sein einschränkt. Mitleidsbekundungen für mein hartes Leben bitte in die Kommentare.

Vier Tage wach!

23. Dezember 2011 – 10:18

So, es ist Festive Season und ich kann fast froh sein, dass wir umziehen, weil ich sonst bald gar nichts zu tun hätte. Kein Mensch lässt sich noch interviewen, kein Büro ist noch besetzt und selbst der Herr, der für die ordnungsgemäße Durchführung des Sommers zuständig ist, scheint verreist.

Das dürfte immerhin der diesjährigen Pilzausbeute zugutekommen, ich werde da in den nächsten Tagen mal nachsehen. Genügend feiertägliche Zeit habe ich zumindest, denn der glorreiche Vize-Präsident Südafrikas, Kgalema Motlanthe, hat in Abwesenheit seines Bosses mal fix einen Antrag der Gewerkschaften auf einen zusätzlichen Feiertag durchgewunken. Und das geht so:

Südafrika hat seit jeher die feine Regelung, dass jeder Feiertag, der auf einen Sonntag fällt, landesweit einen freien Montag nach sich zieht. Da einer neulich veröffentlichten, mir nicht ganz geheueren Studie 10 Prozent der Südafrikaner sowieso am Montagmorgen noch betrunken sind, löst das nicht einmal größeren Protest der Wirtschaftsverbände aus. Nun gibt es zum Wiegenfest von Jack Daniels, äh Jesus, 2011 die bis kurz vor Schluss unvorhersehbare Sonderkonstellation, dass der auf einen Feiertag fallende Montag ebenfalls ein Feiertag ist.

Kopfzerbrechen in der Regierung. Der Katastrophenschutz wird einberufen. Astronomische Gutachten werden befragt. Präsident Jacob Zuma flieht in seinen unterirdischen Bunker in Nkandla, die Katastrophe scheint nah. Der Fall ist so heikel, dass selbst die Dauer-Nörgler von der Democratic Alliance keinen Kommentar abgeben.

Doch dann kommt der Super-Vize und gibt einfach den Dienstag auch noch frei. Vier Tage Weihnachten, South African Breweries soll Gerüchten zufolge bereits die Gewinnerwartungen nach oben korrigieren und ich wünsche entsprechend auch Frohe Weihnachten!