Wenn der Reifen platzt, schlafe ich in der Wüste

1. Juli 2011 – 16:56

Wie schnell sich die Zeiten ändern können: Vor genau vier Nächten noch schlief ich im Desert Rhino Camp, in einem auf Holzstelzen so schonend wie möglich in die Landschaft eingepasstem Luxuszelt mit Löwengebrüll im Hintergrund. Zum Abendessen gab es Oryx-Medaillons, Schweine-Fillet und Rotwein so schnell nachgefüllt, dass mir der Name entfallen ist. Eine gute Fee versteckte unter der flauschigen Bettdecke noch eine Wärmflasche bevor ich vom Lagerfeuergespräch mit den Nashorn-Wildhütern zurück in mein Upper-Class-Domizil für eine Nacht ging. Ich will gar nicht wissen, was der Spaß normal kostet – das heißt, ich wollte es doch wissen und warte eigentlich auf die entsprechende Antwortmail, weil mir dieses kleine Detail noch für meinen Artikel fehlt.

Heute Nacht brüllt kein Löwe, es brummt ein Generator. Das Bett mimt eine Drahtgeflecht-Konstruktion auf Stelzen mit aufgelegter Spanholzplatte, es gibt auf dem Gaskocher zubereitete Nudeln mit Dosentomaten und gemischten Tiefkühl-Meeresfrüchten nebst korrespondierendem Tetra-Pak-Grapefruit-Saft. Eigentlich wollte ich mit dem Meeresgetier frischeres Meeresgetier erbeuten, aber soweit kam ich nicht und nun scheint es auch für den menschlichen Verzehr geeignet. Dafür habe ich feste Wände um mich. Ich befinde mich im Notquartier-Gasthaus am Eingang des Skeleton Coast National Park. Ich wollte eigentlich noch etwas weiter fahren, aber einen platten Reifen in der Dämmerung später hatte sich das erübrigt. Im Hellen fand ich die gehäuften Hyänen-Spuren mitten in der Wüste und sogar am Strand ja noch total putzig, als ich – es war inzwischen stockdunkel – mitten im Park meinen Reifen wechseln durfte, fühlte sich das irgendwie anders an. Wie gut, dass ich neulich lernte, dass Hyänen in der Regel Angst vor Menschen haben – von einem Menschen, der seinen linken Unterarm an ein Krokodil verlor.

Um es kurz zu machen: Mit Langeweile muss ich mich nicht rumplagen. Der Generator ist soeben ein knappe Stunde zu früh ausgegangen, wenn ich dieses Werk hochlade, habe ich die Nacht aber auch schon ohne überstanden, denn der Empfang sämtlicher Fernkommunikationsnetzwerke ist an der Skelett-Küste auch mehr als eingeschränkt. Wer hätte das gedacht! Was in der Zwischenzeit geschah, gibt’s im Folgenden nur noch als Bildershow. Der Akku reicht nicht, um den ganzen Unsinn aufzuschreiben. Außerdem muss ich gleich noch im besten Buch der Welt weiterlesen: „Wenn es Krieg gibt, gehen wir in die Wüste“ von Henno Martin. Es geht um zwei Geologen, die es vorziehen, sich in der Namib gegen alle Widrigkeiten durchzuschlagen, statt für Führer und deutschen Größenwahn an irgendeiner Front zu verrecken. Ich fühle mich den beiden heute Nacht mal ganz nah, fahre morgen früh aber trotzdem in die Zivilisation zurück.

PS: Am Eingangstor des Parks prangen übrigens zwei große Totenköpfe. Und nun ratet mal, welcher deutsche Profifußballverein als einziger in der Aufkleber-Sammlung an der Scheibe des Parkbüros vertreten ist! Auflösung unter den Bildern…

So war’s als Kollege Tobi mich auf dem rauesten Stück der Tour unterstützte und wir auf dieses Gefährt umstiegen. Bisweilen durfte er auch drinnen sitzen.

Wir fanden seltsame Felsformationen.

Und noch seltsamere Droh-Schilder.

Wir besuchten auch eine traditionelle Dorf-Gemeinschaft, die laut Guide so traditionell lebt, dass sie keine Gewürze verwenden, aber als Ausgleich für die touristische Belästigung unter anderem ein großes Paket Salz bekam. Meine Skepsis zu dieser Form von Tourismus hat das nicht unbedingt gemindert. Wir haben dann noch zwei Jungs aus dem Dorf und dem Nachbardorf circa 100 Kilometer zu ihrer Schule mitgenommen und sie auch nicht ausgesetzt, als sie uns erzählt haben, dass sie Bayern-Fans sind. Achso: Die Polizei schaut wohl auch hin und wieder gewehrschwingend vorbei, was auf die Kinder offensichtlich einen guten Eindruck macht.

Dieser paradiesische Flecken Erde liegt exakt auf der Grenze zwischen Angola und Namibia, wo noch vor gut 20 Jahren Südafrikaner gegen Kommunismus und für weißen Rassenwahn kämpften, Kubaner Öl-Plattformen amerikanischer Konzerne gegen US-Truppen verteidigten, die einen durchgeknallten Menschenfresser namens Savimbi für die demokratischere Lösung als die marxistische Bewegung hielten, deren Nachfolgegeneration heute das Volk ausbeutet. Hatte ich schon angedeutet, dass ich ein Leben in der Wüste vorziehen würde?

Die gleiche Grenze, immer noch der Kunene, nur 100 Kilometer weiter stromaufwärts.

Wildwechsel im Caprivi-Zipfel.

Rund drei Kilometer weiter haben wir gezeltet. Zäune gab es nicht, aber die Flusspferde und Elefanten, die im Umkreis von 50 Metern lautstark ihr Abendmahl zu sich nahmen, taten ihr Bestes, um uns zu beschützen…

Eine kleine, morgendliche Bootsfahrt, verbunden mit der Frage, warum die Hippos so schnauben. Antwort des Guides: Die wollen uns angreifen. Daraufhin drehte er den Außenborder auf und schoss vorbei. Kleiner Fun-Fact: Nilpferde sind mit Abstand für die meisten tödlichen Tierunfälle im südlichen Afrika verantwortlich.

Ich glaube, da haben wir uns noch mal kollektiv an den Ausgang des diesjährigen Hamburger Derbys erinnert… Oder den Waterberg erklommen.

Keine Sorge, liebe Tierschützer: Der Hinweis gilt nur für die zweibeinigen Gäste. Die Geparde dürfen nach der Fütterung wieder in das große Gehege und dort ordentlich Tempo aufnehmen.

Für Bolle!

Nettes Arbeitsumfeld auf dem Sambesi. Das Wasser stieg nicht.

Putziger Beobachter mit schelmischem Grinsen.

Und selbst da kann ein Reifen platzen.

Gute Nacht!

Ach so, und des Rätsels Lösung ist natürlich: Energie Cottbus.

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