Jagd auf Mandela
28. Juni 2012 – 09:38Südafrikas Freiheits-Ikone steht besonders bei gesundheitlichen Problemen im Fokus der Medien, ein Task Team soll die teils chaotische Berichterstattung nun koordinieren
Als Nelson Mandela Ende Mai die Jahrhundertflamme seines African National Congress in seinem Haus in Empfang nahm, bekam Südafrika seinen Freiheitshelden erstmals seit Oktober 2011 wieder für kurze Zeit zu sehen. Das staatliche Fernsehen zeigte Mandela in einem Sessel, der sagte, er sei froh die Flamme zu sehen. Ihr Jubiläum feierte die jetzige Regierungspartei bereits im Januar, der kurze Auftritt des Friedensnobelpreisträgers reichte dennoch weltweit für Schlagzeilen. Die Auftritte des bald 94-Jährigen sind selten, das globale Interesse an der seit Jahren gebrechlich wirkenden Freiheitsikone ist aber weiter riesig – bisweilen sogar zu groß für die Südafrikaner.
„Mandela ausspioniert“ titelte die Sunday Times, Südafrikas größte Sonntagszeitung beispielsweise im Dezember vergangenen Jahres. Ein Aufschrei der Empörung ging durch das Land, als bekannt wurde, dass die Nachrichtenagenturen Associated Press und Reuters Kameras auf dem Grundstück einer Nachbarin Kameras installiert hatten. Spionage war das freilich nicht, sondern Teil der Vorbereitung auf das unaussprechlichste Medienereignis Südafrikas – Mandelas Beerdigung. Um die teils chaotische Berichterstattung um die gesundheitlichen Belange des einstigen Staatsoberhaupts zu koordinieren, hat die Regierung inzwischen ein Task Team aus Offiziellen und Medienvertretern einberufen.
Alle Beteiligten wüssten, dass „Madiba“, wie Mandela in Südafrika liebevoll nach seinem Clan-Namen genannt wird, „in der Tat eine Person von nationalem Interesse und eine globale Ikone“ sei, so Regierungssprecher Jimmy Manyi in der offiziellen Erklärung nach der konstituierenden Sitzung des Task Teams. Gleichzeitig hätten alle Parteien die „Bedenken in Hinblick auf Madiba’s Privatsphäre und Sensibilität beim Kommunizieren seines Gesundheitszustands“ anerkannt. Die Notwendigkeit der Absprachen war bei zwei Krankenhausaufenthalten Mandelas offensichtlich geworden. Bereits im Januar 2011 kursierten während einer mehrtägigen stationären Lungenbehandlung Mandelas Nachrichten seines Todes auf Twitter. Im Februar dieses Jahres belagerten Journalisten erneut zwei Krankenhäuser in Johannesburg und der Hauptstadt Pretoria, in denen der für seinen Kampf gegen die Apartheid einst 27 Jahre inhaftierte ehemalige ANC-Führer vermutet wurde. Noteinfahrten waren versperrt, die Polizei verhaftete schließlich gar kurzzeitig einen Fotografen und vertrieb die Pressevertreter. „Wir können keine Situation zulassen, in der ein Mann, der solch einen großen Teil seines Lebens als Gefangener verbracht hat, nun noch einmal Gefangener der Gesellschaft ist“, echauffierte sich Verteidigungsministerin Lindiwe Sisulu.
Doch die Regierung scheint auch erkannt zu haben, dass sie nicht nur schweigen kann, will sie ins Kraut schießende Spekulationen und würdeloses Chaos verhindern. Das Task Team soll da Abhilfe schaffen und nach der offiziellen Ankündigung „zukünftige Krankenhausaufenthalte“ Mandelas und die Berichterstattung darüber koordinieren. Die genauen Absprachen, selbst die Regelmäßigkeit der Sitzungen sind jedoch streng vertraulich, weder Regierungs- noch Medienvertreter äußern sich zu Details. Das Thema ist hochsensibel, denn es ist ein offenes Geheimnis, dass es in den Gesprächen auch um die Planungen der Berichterstattung von Mandelas Beerdigung gehen soll, um praktische Details wie die Bereitstellung von Bildmaterial und Zugangsberechtigungen für Medienvertreter.
Denn die großen Medienorganisationen haben längst geplant, sich Unterkünfte und Stringer-Dienste in Mandelas Heimatort Qunu für den Tag X gesichert. Selbst sämtliche Hubschrauber in der Region sollen Presseberichten zufolge bereits gebucht sein. AP, dessen Sprecher Paul Colford klarstellte, dass die Kameras der Agentur ausgeschaltet gewesen seien und nur im Falle „einer großen Nachrichten-Geschichte um den ehemaligen Präsidenten“ benutzt worden wären, hat in dem Dorf nach Angaben der Sunday Times ein eigenes TV-Studio eingerichtet. Und die staatliche SABC geriet bereits vor drei Jahren in die Schlagzeilen, weil sie von einem Mandela-Enkel die Übertragungsrechte der Beerdigung gekauft haben soll – beide Seiten bestritten das allerdings. Das Thema ist nicht neu und das Vorgehen bei Persönlichkeiten von der Bedeutung Mandelas auch weltweit nicht unnormal. Verwunderlich ist lediglich die öffentliche Ankündigung der Task-Team-Schaffung durch den Regierungssprecher.
„Ich nehme an, das war nach dem Fiasko um Mandelas letzten Krankenhausbesuch der Versuch, zu demonstrieren, dass sie die Situation im Griff haben“, sagt Johannesburger Journalistik-Professor Anton Harber, der die südafrikanische Regierung in der Pflicht sieht. „Ich kann die Diskretion und Geheimhaltung verstehen, aber wenn es nur ruhig ist, weil sie nichts planen und vorbereiten, dann sind sie ernsthaft fahrlässig“. Die Probleme bei der Planung führt der Medienwissenschaftler auch auf das angespannte Verhältnis zwischen ANC-Regierung und Medien zurück, auf eine Mischung aus „mangelnder Professionalität“ und „Missvertrauen, sogar Geringschätzung“. Die Einberufung des Task Teams sei daher ein Schritt in die richtige Richtung. „Ich hoffe die Regierung handelt nicht nur defensiv, sondern sieht die Angelegenheit als wichtigen Moment, um die Nation zusammenzubringen. Wenn nicht, könnte es zu einem nationalen Trauma werden.“
Erschienen im Juni 2012 in M – Menschen Machen Medien Nr. 5/2012.