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„Es geht um Macht und Geld“

7. Januar 2012 – 19:52

Die Konflikte im ANC beruhen nicht auf Ideologien, die Linke des Landes liegt am Boden. Ein Gespräch mit Dale McKinley

Dale McKinley wurde 1962 in Gweru, Simbabwe, geboren und lebt heute als Politischer Analyst und Kommentator in Johannesburg. McKinley trat 1986 dem ANC und 1991 der SACP bei, für die er später im Provinz-Exekutivkomitee des Distrikts Gauteng arbeitete. 2000 schloss die SACP ihn wegen interner Kritik aus, im gleichen Jahr war er Mitbegründer des südafrikanischen Anti-Privatisierungsforums.

Als Jacob Zuma 2007 ANC-Präsident wurde, hatte er das Image des Kandidaten der Linken. Seine Politik war bisher jedoch moderat, ohne große ökonomische Reformen. Warum?

Dale McKinley: Weil Zuma nichts anderes repräsentierte als das, was vor ihm von Thabo Mbeki kam. Zuma war viele Jahre Vizepräsident unter Mbeki und war an allen wesentlichen ökonomischen Entscheidungen des ANC beteiligt, inklusive GEAR. Was die Leute glauben ließ, er sei der Kandidat der Linken war lediglich das die SACP (Kommunistische Partei Südafrikas) und COSATU (Südafrikanischer Gewerkschaftsbund) ihn unterstützten und er anfing populistische Reden mit linker Rhetorik zu halten. Er musste ein Image aufbauen, das ihn näher an den Menschen zeigte, aber Substanz hatte es nicht.

Warum haben die SACP und COSATU ihn dann unterstützt?

McKinley: Das hatte zwei Gründe. Einmal wollten sie Mbeki loswerden, mit dem das Verhältnis zerrüttet war, und außerdem glaubten sie das Zuma ein Kandidat war, den sie – ich würde nicht sagen manipulieren konnten – aber den sie doch auf ihrer Seite wähnten.

Haben sich diese Hoffnungen erfüllt?

McKinley: Es gab keine fundamentalen Änderungen in der Politik des ANC und Zuma legte großen Wert darauf, das bekannt zu machen. Weniger als sechs Monate nach seiner Wahl zum ANC-Präsidenten sagte er der US-Handelskammer ‚Seid versichert das unsere Wirtschaftspolitik erfolgreich ist, wir brauchen Kontinuität und es wird keine großen Veränderungen geben‘.

Trotzdem gab es Zeichen einer sozialeren Politik. Die Regierung Zuma hat die Staatsausgaben erhöht um Arbeitsplätze zu schaffen, sie will die Zwei-Klassen-Medizin abzuschaffen und sie hat sogar eine Kommission einberufen, um mögliche Verstaatlichungen im Bergbausektor auszuloten. Sind das keine guten Zeichen für die südafrikanische Linke?

McKinley: Wir sollten nicht die Tatsache feiern, dass jetzt ein paar mehr Krümel vom Tisch fallen als vorher. Die Frage ist, ob das einen fundamentalen Unterschied für die Klassenstruktur der Gesellschaft ausmacht und ob es eine bedeutende Umverteilung gibt. Und die Antwort darauf ist ‚Nein‘. Ich denke, Zuma ist vielmehr eine große Gefahr für die Linke, weil er die Fähigkeit hat die linke Agenda rhetorisch und politisch zu korrumpieren – ähnlich wie die Demokraten in den USA oder Labour in Großbritannien – indem er ihr scheinbar folgt. Aber in der Realität bleibt das System intakt.

Während die ANCYL und COSATU zu ausgesprochenen Kritikern der Zuma-Administration geworden sind, bleibt die SACP loyal und meist still. Kann sie ihre Ziele in der Allianz verwirklichen?

McKinley: Absolut nicht. Die SACP ist zu einer Hülle geworden, einer Partei, deren einziger Sinn darin besteht, ihre eigenen Kader und Führungszirkel in Regierungsämtern und hohen Positionen im ANC unterzubringen. Die SACP hat alle Möglichkeiten verloren, als progressive Kraft für den Wandel für die Arbeiterklasse und die Armen zu wirken – und das schon seit einiger Zeit. Sie ist sogar zu einem Stolperstein geworden, weil sie der nationalistischen, konservativen Politik, die der ANC verfolgt, eine linke Verkleidung gibt.

Wer repräsentiert dann die südafrikanische Linke?

McKinley: Ich denke, es gibt keinen wirklichen Repräsentanten der südafrikanischen Linken, weil es keine südafrikanische Linke gibt. Es gibt Elemente in COSATU, die sich selbst als sozialistisch sehen sowie ähnliche Ausrichtungen in Teilen der Zivilgesellschaft und sozialen Bewegungen, aber es gibt keine gemeinsame politische Organisation. Das wird auch noch für einige Zeit so bleiben, bis die Rolle COSATUs in der Allianz wesentlich prekärer wird und sie die Schaffung einer unabhängigen, linken Organisation ernsthaft auf ihre Agenda setzen.

Wenn es nicht um politische Differenzen geht, was führt dann zu den Flügelkämpfen im ANC und in der Allianz?

McKinley: Macht und Geld, ganz einfach. Es gibt ein paar Ausnahmen, aber grundsätzlich beruhen die Konflikte im ANC nicht auf Ideologien oder politischen Prinzipien. Es geht darum, wer welche Position bekommt, welche Fraktion dadurch gewinnt, wer die Staatsaufträge bekommt und wer das Geld kassiert.

Erschienen am 7. Januar 2012 in junge Welt.