ANC stellt Malema kalt
12. November 2011 – 08:52Südafrikanischer Regierungspartei droht Machtkampf – auch Zukunft von Präsident Zuma ungewiss
In Südafrikas Zeitungen war er neben Präsident Jacob Zuma seit Jahren der Politiker, über den am meisten geschrieben wurde: Julius Malema, Präsident der einflussreichen Jugendliga des regierenden African National Congress (ANC), inszenierte sich mit populistischen Forderungen zum Anführer der verarmten, arbeitslosen Jugend des Landes – während er selbst skandalumwittert in Saus und Braus lebte. Vor zwei Wochen erst führte Malema einen rund 60 Kilometer langen „Marsch für ökonomische Freiheit“ von Johannesburg zum Regierungssitz nach Pretoria an – ein One-Night-Stand mit den Armen, wie es Buti Manamela, Chef der kommunistischen Jugendliga zynisch nannte. Nach der Abschlusskundgebung ließ Malema sich in einer Blaulicht-Kolonne zum Flughafen bringen, um zur Hochzeit eines Millionärs-Freundes nach Mauritius zu jetten. Am Donnerstag endete die Kariere des schillernden Politikers, die Disziplinarkommission des ANC schloss ihn für fünf Jahre aus der Partei aus. Neben Malema wurde auch Jugendliga-Sprecher Floyd Shivambu für drei Jahre suspendiert, die vier Mitglieder des Exekutiv-Komitees der Liga erhielten Bewährungsstrafen über zwei Jahre Parteiausschluss.
Hauptvergehen war eine Ankündigung der Jugendliga-Führung ein Kommando ins Nachbarland Botsuana zu schicken, um einen Umsturz gegen die dortige Regierung zu initiieren. Diese arbeite, so Malema damals, „in voller Kooperation mit westlichen Imperialisten“. Das Manöver brachte den ANC zwar in diplomatische Schwierigkeiten mit der botsuanischen Führung, galt aber ohnehin nur als plumper Ablenkungsversuch. Kurz zuvor war ein Bestechungssystem öffentlich geworden, bei dem Geschäftsleute für Aufträge in Malemas Heimatprovinz Limpopo hohe Beträge auf ein Spendenkonto überwiesen. Kontoinhaber ist Malemas minderjähriger Sohn, inzwischen ermittelt eine Sondereinheit der Polizei. Zu Fall brachten Malema aber nicht seine Skandale, sondern der Vorwurf, Spaltungen im ANC zu befördern.
Die allerdings dürften jetzt erst richtig aufbrechen, denn Malema kündigte umgehend an, in Revision zu gehen. „Wir müssen jetzt kämpfen“, verkündete er und fügte vielsagend hinzu: „Lasst dem Feind die Freude, aber dieser Sieg wird nicht halten. Wir werden durch Mangaung 2012 befreit werden.“ Mangaung ist der neue Name der Metropolregion Bloemfontein, der Stadt in der 1912 der ANC gegründet wurde – und im Dezember kommenden Jahres findet dort die ANC-Wahlkonferenz statt, auf der es um die Wiederwahl von Jacob Zuma an der Spitze der Partei – und damit letztlich auch als Regierungschef geht. Tatsächlich könnte das Exekutiv-Komitee des ANC Malemas Fall an die Wahlkonferenz verweisen – ein Albtraum für Zuma und den ANC, der im Jubiläums-Jahr von einem immer heftiger werden Machtkampf erschüttert wird.
Dass Malema den Staatspräsidenten, für den er vor drei Jahren im Wahlkampf nach eigener Aussage noch bereit war zu töten, nun öffentlich zum Feind erklärt, zeigt dabei zwar eine neue Qualität, offenbart aber längst kein Geheimnis mehr. ANC-Schwergewichte mit guten Wirtschaftsverbindungen wie Cyril Ramaphosa, einstiger Gewerkschaftsführer und heute Malema-Freund sowie Chef von McDonalds Südafrika, wollen Zuma längst durch den blassen Vizepräsidenten Kgalema Motlanthe ersetzen. Politische Positionen spielen in dem Flügelkampf, bei dem sich auch Winnie Madikizela-Mandela, Ex-Frau von Nelson Mandela, auf die Seite Malemas geschlagen hat, nur untergeordnete Rollen. Es geht um Macht und Einfluss. Entsprechend blutarm kommentierten sowohl die Kommunistische Partei Südafrikas als auch der progressive Gewerkschaftsbund COSATU den Ausschluss Malemas als interne ANC-Angelegenheit – mit dem sie freilich in der Regierungsallianz verbündet sind. Beide hatten sich stets gegen die konzeptlosen Verstaatlichungsforderungen Malemas ausgesprochen und diesen indirekt verdächtigt, damit nur seine Vettern bedienen zu wollen. Beide brauchen aber Verbündete, um eine tatsächlich linke Agenda im ANC durchzusetzen.
Erschienen am 12. November 2011 in junge Welt.