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Blaues Auge für den ANC

24. Mai 2011 – 13:05

Regierungspartei verliert vier Prozent, hält aber wichtige Metropolen

Zwelinzima Vavis „Albtraum“ ist nicht wahr geworden. Der Generalsekretär des südafrikanischen Gewerkschaftsbundes COSATU hatte vor den landesweiten Kommunalwahlen am vergangenen Mittwoch gewarnt, die gewerkschaftsfeindliche Oppositionspartei Democratic Alliance (DA) könnte wichtige Verwaltungen übernehmen – allen voran die Nelson Mandela Bay Metropole rund um die Industriestadt Port Elizabeth am Indischen Ozean. Seit dem Wochenende liegen die amtlichen Ergebnisse vor und die Regierungsallianz aus ANC, Kommunistischer Partei Südafrikas (SACP) und COSATU darf aufatmen. Bis auf Kapstadt, das bereits länger von der DA regiert wird, konnte die einstige Befreiungsbewegung sämtliche Großstädte gewinnen – vor allem die Unterstützung der schwarzen Bevölkerungsmehrheit scheint ungebrochen.

Mit 62 Prozent der Stimmen hat der ANC im Landesdurchschnitt zwar im Vergleich zu den vergangenen Wahlen vier Prozent eingebüßt, seine absolute Mehrheit aber deutlich verteidigt. Die DA kam auf 24 Prozent (plus 8 Prozent). Stimmen gewonnen hat die Opposition vor allem bei den farbigen und indisch-stämmigen Minderheiten – die Angst vor einem weiteren Anwachsen der Opposition dürfte sich in Reihen des ANC dementsprechend in Grenzen halten. Dennoch kündigte Partei-Sprecher Jackson Mthembu noch am Sonntag radikale Veränderungen bei der Arbeitsevaluation der lokalen Verwaltungen und Bürgermeister an. Dies solle eine schnellere Gewährleistung von staatlichen Dienstleistungen – vor allem bei der Wasser-, Kanalisations- und Stromversorgung, im Gesundheits- und Polizeiwesen sowie beim Wohnungsbau – gewährleisten und so die Wählerwanderung zur Opposition stoppen.

Politische Analysten erwarten daher, dass der Druck auf lokale ANC-Regierungen enorm steigen wird – nicht nur aus Reihen der Partei. Bereits im Vorfeld der Wahlen war es zu einer Vielzahl an Protesten in Armenvierteln gekommen – die nicht selten blutig niedergeschlagen wurden. Selbst in Gemeinden wie Ficksburg, wo vor einigen Wochen ein Aktivist von der Polizei erschossen worden war, konnte der ANC allerdings erneut klar gewinnen. Die Wahlergebnisse hier sind jedoch in erster Linie ein Votum gegen die neoliberale und noch immer weiß-dominierte Opposition. Da die kommunistische Partei in Allianz mit dem ANC agiert, mangelt es in der stark polarisierten politischen Landschaft Südafrikas noch immer an starken linken Wahl-Alternativen.

Trotzdem muss der ANC vor allem mit Angriffen von links rechnen. COSATU, dessen Generalsekretär Vavi sich in der Vergangenheit immer wieder zum Anwalt der Armen und heftigstem Kritiker des ANC aufgeschwungen hatte, gratulierte zwar artig zum Wahlerfolg, dürfte die zukünftigen Entwicklungen jedenfalls mit Argusaugen beobachten. Für Präsident Jacob Zuma werden die kommenden Monate daher entscheidend sein. Zusätzlich zum wachsenden Druck von der Straße muss er auch innerhalb der Allianz um Unterstützung kämpfen. Im kommenden Jahr will er sich als ANC-Vorsitzender bestätigen lassen – und damit faktisch auch als Staatspräsident. Die Unterstützung der Allianz-Linken, das haben vor allem die Gewerkschaften bereits mehrfach deutlich gemacht, wird dabei kein Selbstläufer sein. Packt der ANC nicht endlich wirkungsvoller soziale Programme an, könnte dem blauen Auge 2012 der Knock-Out folgen.

Erschienen am 24. Mai 2011 in junge Welt.