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»Diebstahl am hellichten Tag«

30. Januar 2012 – 12:28

Südafrikas Gewerkschaftsbund COSATU aktiv gegen Korruption

Nach monatelanger Planung hat der südafrikanische Gewerkschaftsbund COSATU am Donnerstag die Gründung einer Anti-Korruptions-Organisation bekanntgegeben. »Corruption Watch« soll Bestechungsfälle vor allem in der Regierung und öffentlichen Einrichtungen aufdecken und anzeigen. Hauptadressaten der unabhängigen Institution dürften damit Politiker in den Reihen des regierenden African National Congress (ANC) sein, mit dem COSATU in einer Regierungsallianz verbunden ist. ANC-Justizminister Jeff Radebe lobte zwar öffentlich das Engagement des Gewerkschaftsbundes, dennoch ist »Corruption Watch« ein weiteres Signal für die Emanzipation der linksgerichteten Arbeiterorganisation von der in Vetternwirtschaft versinkenden Mutterpartei.

COSATU-Generalsekretär Zwelinzima Vavi ließ in seiner Erklärung zur Gründung der Organisation kein schockierendes Detail aus. Er zitierte die Zahlen aus dem jüngsten Bericht des obersten Buchprüfers, wonach ganze drei der 39 Staatsministerien saubere Finanzberichte vorlegen konnten. Die Überprüfung deckte insgesamt 20 Milliarden Rand (Zwei Milliarden Euro) nicht autorisierter Ausgaben auf. Andere Schätzungen gehen sogar von drei Milliarden Euro aus, die Südafrika jährlich wegen Korruption verliere. Erst kürzlich hatte das Finanzministerium in Pretoria mehrere Länderministerien und nahezu die gesamte Provinz Limpopo unter staatliche Verwaltung gestellt, weil diesen aufgrund versickerter Mittel der Bankrott drohte. Vavi, der den ANC schon häufiger wegen der Korruption angegriffen und Teile der Parteiführung als »politische Hyänen« bezeichnet hatte, sparte auch die Auswirkungen der Korruptionsplage nicht aus. Er erzählte von leidenden Patienten in staatlichen Krankenhäusern, die Kekse essen müßten, weil die Zulieferer der Mahlzeiten nicht bezahlt würden, und von Schulkindern, die kilometerweit durch gefährliche Buschlandschaften und über Autobahnen liefen, weil Geld für Busse veruntreut wurde. »Milliarden Rand werden verschwendet, die für die Verbesserung unseres Gesundheitswesens und Schulsystems, für die Förderung des Wirtschaftswachstums, Arbeitsplatzschaffung und soziale Dienste für unsere ärmsten Gemeinschaften ausgegeben werden sollten und könnten«, kritisierte der Gewerkschaftschef, der von »Diebstahl am helllichten Tage« sprach. »Das ist eine Kultur, die im kapitalistischen System wächst, aber schnell vom privaten Sektor auf den öffentlichen Dienst übergreift, wo Unternehmen bereit sind, durch Korruption Staatsaufträge zu bekommen. Einige von ihnen werden von den staatlichen Repräsentanten selbst oder durch deren Angehörige geleitet«, so Vavi. Ohne Namen zu nennen griff er auch direkt die ANC-Führung an und sprach von korrupten Politikern, die sich durch Schmiergelder Unterstützung für ihre Fraktionen sicherten. »Führungskämpfe bewegen sich weg vom Kampf um Ideen hin zum Kampf um die Kontrolle der öffentlichen Geldbeutel.«

»Corruption Watch« soll diese Fälle nun aufdecken. Über eine Internetseite und per SMS sollen die Südafrikaner Verdachtsfälle an die Organisation melden, deren Ermittler und Rechtsanwälte die Vorwürfe recherchieren, anzeigen und veröffentlichen. Die Organisation will aber auch selbst recherchieren und vor allem Datensammlungen zusammentragen, die Zeitungsredaktionen helfen sollen, Korruptionsfälle offenzulegen. Insbesondere das Publikmachen von Bestechungsfällen ist brisant, da der ANC gerade ein Gesetz durchs Parlament gebracht hat, das Informanten und Journalisten, die als geheim eingestufte Staatsinformationen veröffentlichen, mit bis zu 25 Jahren Haft bedroht, auch wenn sie so Korruptionsfälle aufdecken.

Erschienen am 30. Januar 2012 in junge Welt.