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In Südafrika drohen Streiks zur WM

10. Juni 2010 – 13:46

Gewerkschaftsbund und regierender ANC streiten um Macht, Korruption und Strompreise

Ein schwerer Richtungsstreit erschüttert die südafrikanische Regierungsallianz und könnte zu Streiks während der am Freitag beginnenden Fußballweltmeisterschaft führen. Auslöser der politischen Krise ist der Versuch des regierenden African National Congress (ANC), ein Disziplinarverfahren gegen den Generalsekretär des Gewerkschaftsbundes COSATU, Zwelinzima Vavi, einzuleiten. Vavi hatte Staatspräsident Jacob Zuma öffentlich kritisiert, nicht gegen Vetternwirtschaft und Korruption in den eigenen Reihen vorzugehen und dabei unter anderem Kommunikationsminister Siphiwe Nyanda  an den Pranger gestellt.

Nyanda, der Berichten zufolge eine halbe Million Rand (55 000 Euro) aus der Staatskasse in Kapstadter Hotels verprasst haben soll, ist Mitglied des einflussreichen Nationalen Arbeitskomitees (NWC) des ANC, das das Parteiverfahren gegen den Gewerkschafter auf die Agenda setzte. COSATU und der ANC sind seit dem Kampf gegen die Apartheid in einer gemeinsamen Dreier-Allianz mit der Kommunistischen Partei Südafrikas (SACP) verbündet. Vavi ist daher auch ANC-Mitglied und somit theoretisch disziplinierbar. Trotzdem ist ein solcher Versuch der Regierungspartei, ihre Bündnispartner zu maßregeln, historisch einmalig. Entsprechend scharf fiel die Reaktion COSATUs aus. „Von so etwas habe ich in der gesamten Geschichte der Allianz noch nicht gehört“, reagierte Vavi geschockt. Weder er selbst noch COSATU würden sich entschuldigen – „nicht vor der WM, nicht danach, nicht vor Gericht, nicht im Gefängnis, nicht im Grab – niemals.“

Die anschließende Solidarisierungskampagne in den starken Gewerkschaften des Landes – COSATU-Sprecher Patrick Craven kündigte gar offen an, ein Verfahren würde „das Ende der Allianz bedeuten“ – muss den ANC geschockt haben. Das NWC nahm seine Verfahrensdrohung am Montag klamm heimlich wieder zurück. Die Spaltung der südafrikanischen Regierungsallianz ist damit vorerst vom Tisch, doch der Konflikt noch lange nicht gelöst. Hinter Vavis offener Attacke steckt nämlich die Unzufriedenheit mit der Politik des ANC unter Zuma und der Konflikt der linken Gewerkschaften mit einer Gruppe von durch teils dubiose Staatsaufträge reich gewordenen Geschäftsleuten im ANC. Auch der angedrohte Streik zur WM steht nach wie vor im Raum, weil er sich auf einen zwielichtigen Schachzug des ANC bezieht. Die Regierung hatte dem halbstaatlichen Stromkonzern Eskom eine Verdopplung der Strompreise in den nächsten drei Jahren bewilligt. COSATU sieht darin einen Angriff auf Arbeitsplätze und die Armen des Landes. Doch die Entscheidung hat weitere Brisanz: Eskom will die Mehreinnahmen für Investitionen in neue Kraftwerke nutzen. An der Firma, die den lukrativen Bau-Auftrag ausführen soll, ist der ANC über seine Investmentgesellschaft direkt beteiligt. Die einstige Befreiungsbewegung verdient damit an der weiteren Schröpfung der Armen des Landes.

COSATU fordert die Rücknahme der bereits beschlossenen Preissteigerung und kündigt andernfalls an, nach einer Versammlung der für die Strompreise zuständigen Regierungsbehörde am 14. Juni – drei Tage nach WM-Start – seinerseits über Streiks zu entscheiden. Dass die Gewerkschaften Südafrika lahm legen können, haben sie bereits mit dem erst kürzlich beendeten Streik im Transport-Wesen bewiesen. Und auch die Forderung der Regierung, die WM nicht als Geisel zu benutzen scheint die Gewerkschafter wenig zu beeindrucken. Man hätte der Gegenseite Zeit geben müssen, auf die Gewerkschaftsforderungen mit einer Versammlung zu reagieren, sagte Craven. Der Termin drei Tage nach WM-Start sei „purer Zufall“.

Ob dieser „Zufall“ den Gewerkschaften wirklich helfen wird, muss sich allerdings erst noch zeigen, denn auch die COSATU-Mitglieder sind in der Mehrzahl bereits völlig im WM-Fieber. Dass der Konflikt zwischen Gewerkschaften und Regierung weiter geht, scheint aber programmiert.

Erschienen am 10.6.2010 im Weser Kurier.