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Jagd auf Mandela

1. März 2012 – 09:47

Südafrikas Regierung gründet Taskforce für würdevolleren Umgang mit fragilem Nobelpreisträger

Eine Taskforce aus internationalen und einheimischen Medienvertretern sowie Offiziellen der Südafrikanischen Regierung soll künftig den Informationsfluss über Gesundheitsbelange Nelson Mandelas steuern. Darauf einigten sich Medien- und Regierungsrepräsentanten am Montag bei einem Treffen in der Hauptstadt Pretoria. Der 93-jährige Mandela war in der vergangenen Woche für eine Bauchspiegelung in ein Krankenhaus eingeliefert worden – und hatte mit der Routine-Untersuchung ein weltweites Medienecho ausgelöst. Dass sich das künftig ändert, bleibt aber unwahrscheinlich, denn während der Friedensnobelpreisträger sich nach seiner Entlassung am Sonntag bester Gesundheit erfreuen soll, planen internationale Medien bereits seit Jahren die Berichterstattung von seiner Beerdigung.

Mandela, einst Symbolfigur für den Kampf gegen die Rassentrennung in seinem Heimatland, ist wesentlich mehr als ein ehemaliger Präsident. Weltweit steht er für die Ideale von Freiheit und Demokratie, die Südafrikaner selbst nennen ihn nach seinem Clan-Namen liebevoll „Madiba“ oder gar ehrfürchtig „Tata“ – in seiner Muttersprach isiXhosa bedeutet das „Vater“. In der Hysterie, die Mandelas Krankenhausaufenthalte in den vergangenen Jahren begleitete, äußert sich auch die Angst vor dem Tag, an dem der Übervater geht, die Furcht vor einer ungewissen Zukunft, in der ähnlich charismatische und integere Staatsmänner wie Mandela nicht zu erkennen sind. Der greise Held des Freiheitskampfes, der für seine Überzeugung 27 Jahre im Gefängnis verbrachte, bleibt deswegen auch Jahre nach seinem Rückzug aus der Politik und der öffentlichen Debatte eine „Person von nationalem Interesse und eine globale Ikone“. Das stellte Kabinettssprecher Jimmy Manyi nach dem Meeting mit den Medienvertretern klar, betonte aber gleichzeitig die Notwendigkeit, „Madibas Privatsphäre und die Sensibilität bei der Kommunikation seines Gesundheitszustands anzuerkennen“.

Erst im Dezember mussten die beiden globalen Nachrichtenagenturen AP und Reuters eingestehen, an einem Haus gegenüber Mandelas Anwesen in seinem Heimatdorf Qunu Kameras angebracht zu haben. „Es handelt sich nicht um Überwachungskameras, wie andere Medien auch hat AP Vorbereitungen für Herrn Mandelas letztendliches Ableben“, gab ein Unternehmenssprecher schließlich zu. Die Empörung im Land war groß, gerade in der Kultur der Xhosa ist es ein Tabu, Planungen für den Tod noch lebender Menschen voranzutreiben. Dennoch sind die beiden überführten Agenturen bei Weitem nicht allein. Längst sind die privaten Hubschrauberkontingente in der Region für den Tag X ausgebucht, sämtliche Unterkünfte in der ländlichen Gegend reserviert, lokale Recherchehelfer vorausgebucht. „Mandelas Beerdigung“, sagt ein deutscher Korrespondent in Südafrika, „wird ein noch größeres Medienereignis als die von Papst Johannes Paul II.“
Es geht um die besten Bilder, die schnellsten Informationen, viel Geld und letztendlich auch um die Karrieren der Medienmacher. Zu welch makabren Situationen die Jagd nach Gerüchten um Mandela allerdings werden kann, zeigte sich im Januar 2011, als er mit einer Lungenentzündung mehrere Tage im Krankenhaus lag. In Korrespondentenkreisen gingen bereits scheinbar gesicherte Informationen vom baldigen Tod des Staatshelden um, in einem Park der Hafenmetropole Port Elizabeth legten trauernde Stadtangestellte gar rote Rosen vor einer Mandela-Statue nieder. Derlei Pietätlosigkeiten will Südafrikas Regierung künftig mit einer offeneren Informationspolitik vermeiden.

Erschienen am 1. März 2012 im Fränkischen Tag.