Machtkampf im ANC
15. November 2012 – 06:53Von fliegenden Fäusten und wählenden Geistern: Südafrikas Präsident kämpft mit allen Mitteln um den Vorsitz seiner Partei
Es sind empfindliche Niederlagen, die Jacob Zuma dieser Tage hinnehmen muss. Südafrikas Staatspräsident kämpft um seinen Verbleib an der Spitze des regierenden African National Congress (ANC), doch vor dem Wahlparteitag im Dezember regt sich Widerstand. Etliche wichtige Ortsverbände des ANC haben sich bereits auf Vizepräsident Kgalema Motlanthe als Gegenkandidat festgelegt. Der 63-Jährige, der bereits als Interimspräsident nach der Entlassung von Zuma’s Erzfeind Thabo Mbeki das Land führte, gilt als moralische Gegeninstanz zum skandalumwitterten Zuma. Dem könnten vor allem seine Untätigkeit während der jüngsten Bergarbeiterstreiks und der Bau eines 20-Millionen-Euro-Palastes mit Staatsgeldern zum Verhängnis werden. Doch noch perlen die Vorwürfe an Zumas loyalem Machtapparat ab.
„Als Gesellschaftsführer muss er dringend verlorenes Vertrauen wiederherstellen“, begründet ein am Montag öffentlich gewordenes Positionspapier eines einflussreichen Johannesburger Ortsverbands die Nominierung Motlanthes. „Sonst enden wir in der gleichen politischen Sackgasse, in die alle afrikanischen Befreiungsbewegungen nach 20 Jahren an der Macht gegangen sind – oder verlieren 2014 gegen die (oppositionelle) DA.“ Doch so deutlich die Warnungen inzwischen auch sind, das Lager der Zuma-Gegner hat ein Problem: Auch zwei Wochen vor Ende der Nominierungsfrist hat sich Motlanthe nicht offiziell als Herausforderer zur Verfügung gestellt. Der Hoffnungsträger präsentiert sich stattdessen als integrer Verfechter alter ANC-Traditionen. „Seine Position ist klar, politische Anführer müssen das Wahlrecht der Ortsverbände respektieren“, verweist Motlanthes Sprecher Thabo Masebe auf die offiziellen ANC-Statuten. Motlanthe pflegt ein Image des immer-bereiten Parteisoldaten alter Schule, der sich nicht aufdrängen, sondern nur der Organisation dienen will. Vor allem aber will er kein Lager um sich aufbauen und die Spaltung des ANC weiter vorantreiben, die er in seiner jüngst veröffentlichten Biografie stark kritisiert hatte.
Motlanthes Nicht-Kampagne ist die des edlen Retters, doch es bleibt die Frage, ob sie noch zeitgemäß ist. Als „grobe Fehlkalkulation“ sieht sie der Analyst Makhudu Sefara, denn der „ANC, der sich so verhält“ sei „längst tot“. Die aktuellen Nachrichten des innerparteilichen Wahlkampfs bestätigen ihn. Im Oktober musste die Parteiführung plötzliche zweistellige Mitgliederzuwächse in Zumas Heimatprovinz KwaZulu-Natal erklären, die seine Gegner schlicht als Geisterstimmen bezeichneten. Im in der Präsidentenfrage gespaltenen Westkap beschweren sich Zuma-Gegner über den Ausschluss vom Wahlparteitag aufgrund von Formalitäten, im ganzen Land kommen immer wieder Mitgliedslisten und Wahl-Protokolle abhanden und im Ortsverband des von Zuma geschassten Ex-Polizeichefs Bheki Cele flogen während der Nominierungsdebatte am vergangenen Donnerstag gar die Fäuste. Der Kampf darum, welche Delegierten zum Wahlparteitag reisen, gilt als entscheidend im ANC-Machtkampf – politische Themen allerdings spielen dabei eine höchstens untergeordnete Rolle.
Zumas Unterstützer hoffen auf verstärkte Staatsinvestitionen und bauen ihre Hoffnungen auf das brasilianische Modell unter Lula da Silva, der seine wichtigsten Reformen ja auch erst während seiner zweiten Amtszeit in die Wege geleitet habe, Teile seiner Gegner fordern die Verstaatlichung von Banken und Bergbau – auch wenn Motlanthe selbst dem bisher eher kritisch gegenüber stand. Genau darin liegt das große Problem der Motlanthe-Unterstützer, die von der nach radikalen Land- und Wirtschaftsreformen schreienden Jugendliga bis zu kaltgestellten Parteigrößen der neoliberalen Mbeki-Ära reicht: Geeint sind sie lediglich durch die Ablehnung des System Zumas. Gegen den strategisch klugen Amtsinhaber, der sich mit widersprüchlichen Versprechungen und lukrativen Machtbeteiligungen die Unterstützung der Kommunistischen Partei Südafrikas (SACP) und des Gewerkschaftsbundes COSATU gesichert hat, bleiben für den programmatisch blassen Motlanthe so allerdings nur Außenseiterchancen.
Erschienen am 15. November 2012 in junge Welt.