Showdown in Rustenburg
26. Oktober 2012 – 06:41SĂĽdafrikas Gewerkschaftsbund will Einfluss zurĂĽckgewinnen, doch das Vertrauen der streikenden Bergarbeiter ist weg
Der Angriff blieb nicht in ohne Folgen. Als Zwelinzima Vavi, Generalsekretär des südafrikanischen Gewerkschaftsbundes COSATU, gemeinsam mit einigen Offiziellen der Bergbaugewerkschaft National Union of Mineworkers (NUM) am vergangenen Freitag zu streikenden Bergarbeitern einer Goldmine bei Orkney, südwestlich von Johannesburg, sprechen wollten, flogen Steine. Für den korrupten, langen Arm der Konzerne halten die Kumpel die Bergbaugewerkschaft und ihre aufgestaute Wut traf nun auch den bisher recht populären Generalsekretär der Muttergewerkschaft. „Wir sind ok, das Auto wurde nicht beschädigt“, ließ sich ein NUM-Koordinator nach der Attacke durch „diese Hooligans“ seltsam zitieren. Vavi war dennoch schwer getroffen von der offenen Feindseligkeit. Gleich am Montag rief COSATU zu einem Protestmarsch in Rustenburg auf, morgen nun wird es in der Provinzhauptstadt des Minen-Gürtels zum Showdown kommen. „Alle Arbeiter“ der drei umliegenden Provinzen sollen „die Region um Rustenburg von den Kräften der Konterrevolution zurückgewinnen“, so die Mitteilung.
Rhetorik und Rednerliste deuten auf einen Endkampf für Südafrikas Regierungsallianz, der neben COSATU noch der African National Congress (ANC) unter Staatspräsident Jacob Zuma und die Kommunistische Partei Südafrikas (SACP) angehören. Mit Vavi, Gwede Mantashe (ANC) und Blade Nzimande (SACP) werden die Generalsekretäre aller drei Allianzpartner in Rustenburg sprechen. Mit einer Top-Down-Strategie will Vavi retten, was zu retten ist, die verhasste NUM durfte ihren Namen nicht einmal unter den Aufruf setzen. Hohe Offizielle aus dem Gewerkschaftsbund sollen in den kommenden Wochen ein Koordinationszentrum in Rustenburg zur politischen und organisatorischen Lenkung von COSATUs Kampagne aufbauen, so Vavi. Nachdem die NUM sich geweigert hatte, die Forderungen hunderttausender Bergarbeiter nach mehr Lohn und besseren Arbeitsbedingungen mitzutragen, gingen die in ungeschützte Streiks. Die Folgen für die Kumpel sind heftig, die Konzerne reagieren mit Einschüchterungen und Massenentlassungen, erst am Mittwoch kündigte AngloGold Ashanti 12.500 streikenden Angestellten. Beruhigt wird die Situation dadurch freilich nicht und auch für Südafrikas einst so mächtigen Gewerkschaftsbund ist die Lage langsam existenzgefährdend – mit der NUM bricht COSATUs mitgliederstärkste Teilgewerkschaft zusammen.
Doch dass die morgige Großdemonstration COSATUs Ruf tatsächlich aufbessern kann, gilt als abwegig. Zu verhärtet sind die Fronten. Zwar ruft der Gewerkschaftsbund ausdrücklich auch zu branchenweiten Solidaritätsaktionen und zur sofortigen Wiedereinstellung aller entlassenen Kumpel auf, doch er sträubt sich nach wie vor, die Lohnforderungen der Streikkomitees zu unterstützen. Die Bergleute wissen, dass sie ohne den Verrat durch die NUM für die Konzernleitungen wesentlich weniger erpressbar wären, ein Stachel, der tief sitzt. „Die Demo wird die Arbeiter nicht zusammenbringen, sie wird keine Einheit bringen, sondern Konflikt“, sagt daher der Generalsekretär des Democratic Socialist Movements (DSM), Weizmann Hamilton. COSATU versucht derzeit, die winzige, trotzkistische Bewegung – eine von zwei radikal linken Organisationen, die versuchen die isolierten Streiks an den verschiedenen Minen zu vernetzen – öffentlich zur Speerspitze der Konterrevolution aufzublasen. Doch dazu hätte die DSM gar nicht das Personal, von der politischen Verdrehung der Tatsachen ganz abgesehen.
Die Sündenbockstrategie kann so nur leidlich verschleiern, dass die Gegner des Gewerkschaftsbundes die enttäuschten Bergarbeiter selbst sind. Für die steht auch COSATU – spätestens nach der neulich verkündeten Unterstützung Jacob Zumas zur Wiederwahl als ANC-Präsident – für den Staatsapparat, der sie brutal unterdrückt. In Marikana, wo im August 34 Bergarbeiter im Kugelhagel der Polizei starben, konnten die Kumpel ihre Forderungen inzwischen durchsetzen. Dennoch kam es in der vergangenen Woche wieder zum Arbeitsausstand, weil die Polizei Zeugen des Massakers verhaftet und eingeschüchtert hatte. Dagegen fand sich in dem COSATU-Aufruf kein Wort, auch deswegen dürften die Frontlinien am Sonnabend klar gezogen sein.
Erschienen am 26. Oktober 2012 in junge Welt.