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Trügerische Festtagsstimmung beim ANC

7. Januar 2012 – 19:06

Die einstige südafrikanische Befreiungsbewegung feiert ihr 100-jähriges Bestehen mit einem pompösen Festakt – doch hinter den Kulissen erschüttert ein schwerer Machtkampf die Partei

Wenn der African National Congress, Afrikas älteste Befreiungsbewegung, am morgigen Sonntag seinen 100. Geburtstag feiert, dann kehren die Partei-Schwergewichte zurück in die kleine Kirche in Waaihoek, einem Township von Bloemfontein (heute Teil des Metropolgebiets Mangaung), wo eine Gruppe schwarzer Intellektueller am 8. Januar 1912 den Grundstein für die Partei legte. Um ein einiges Vorgehen der in verschiedene Königreiche und Ethnien aufgeteilten, unterdrückten schwarzen Bevölkerung ging es den Urvätern des ANC damals. Doch auch wenn die pompösen Feierlichkeiten, die den südafrikanischen Steuerzahler umgerechnet 10 Millionen kosten, es für ein Wochenende zu überdecken versuchen: 100 Jahre später ist der ANC so zerstritten wie nie zuvor.

Erst kürzlich hatte die Mutterpartei den Vorsitzenden ihrer Jugendliga (ANCYL), Julius Malema, für fünf Jahre ausgeschlossen, weil er versucht hatte die Partei zu spalten. Der machtbesessene und populistische Nachwuchspolitiker Malema, einst glühender Unterstützer von Staats- und Parteipräsident Jacob Zuma, war jahrelang das Sprachrohr der ANC-Großkopferten für die groben Dinge. Er verlangte die Verstaatlichung des Bergbaus und wetterte gegen weiße Unternehmer und Farmbesitzer und brachte so die arbeits- und perspektivlose schwarze Jugend des Landes hinter sich. Als er Zuma selbst gefährlich wurde, versuchte dessen Flügel ihn abzuservieren, das Berufungsverfahren läuft. Politische Prinzipien und Ideologien spielen in den Grabenkämpfen allerdings kaum eine prominente Rolle. „Es geht darum, wer welche Position bekommt, welche Fraktion dadurch gewinnt, wer die Staatsaufträge bekommt und wer das Geld kassiert“, zeichnet der Johannesburger Polit-Analyst Dale McKinley ein dunkles Bild vom Zustand der Partei. Selbst der mit dem ANC seit Apartheidzeiten in einer Allianz verbündete Gewerkschaftsbund COSATU hatte der ANC-Führung zuletzt immer wieder öffentlich Korruption und Vetternwirtschaft vorgeworfen.

Zum Festakt will Präsident Zuma die internen Querelen freilich nicht austragen. Dass der ANC – angeblich aus Zeitnot – in seinem Programm erstmals bei einer Feier des Parteigeburtstags auf sämtliche Grußbotschaften seiner Allianz-Partner und Partei-Ligen verzichtet, überrascht trotzdem. Einzig Zuma soll sprechen, die Verbündeten bekommen lediglich einen Platz in der Festtagszeitschrift – und erfuhren dies zudem aus der Presse. Entsprechende Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. „Die haben Angst, dass Malema und COSATU Zuma vor tausenden VIP-Gästen widersprechen könnten, das ist nichts als ein Versuch, die Allianz kaltzustellen und ihre Ansichten zu unterdrücken“, zitierte die Wochenzeitung Mail & Guardian ein hochrangiges ANCYL-Mitglied.

In der Tat ist die Gefahr einer Bloßstellung für Zuma immens. Neben 100 000 Anhängern werden auch dutzende ehemalige und amtierende Staatspräsidenten in Bloemfontein erwartet, darunter auch Abgesandte der SPD aus Deutschland. Die Sozialdemokraten hatten den ANC beim Übergang von der Apartheid zur Demokratie unterstützt, der ehemalige SPD-WahlkampfmanagerBodo Hombach beriet Nelson Mandela gar bei dessen Kampagne vor den ersten freien Wahlen 1994. Ob der inzwischen 93-jährige Mandela selbst an der Feier teilnehmen würde, war bis zum Redaktionsschluss nicht bekannt. Seiner Ehrung darf er sich so oder so gewiss sein. Unter dem Motto „Hundert Jahre selbstlosen Kampfes“ will Zuma sich in seiner Rede einem ANC-Sprecher zufolge auf den Freiheitskampf, seine Protagonisten und die moralischen Werte der Bewegung konzentrieren.

Doch er muss auch wissen, dass dieser gespielte Frieden nicht lange halten kann. Der selbstlose Kampf ist innerhalb des ANC längst Vergangenheit. Bereits mit den von britischen Unternehmern angeschobenen Geheimverhandlungen von Zumas Vorgänger an der Staats- und Parteispitze, Thabo Mbeki, mit Vertretern der Apartheidregierung begann die Spaltung im ANC. Während das alte Regime erfolglos versuchte, die Exilführung um Mbeki gegen Mandela auszuspielen, witterten vor allem linke Kräfte im ANC den Verrat an der Revolution. Der Vollzog sich dann – gegen den Willen der einflussreichen Allianz-Partner – neben COSATU gehört auch die Kommunistische Partei Südafrikas (SACP) zu der Troika – 1996 mit der Einführung des von der Weltbank wohlwollend begrüßten Growth, Employment and Redistribution Programmes (Wachstum, Arbeitsplatzschaffung und Umverteilung). Die Kluft zwischen Arm und Reich konnte die neoliberale Ausrichtung der südafrikanischen Wirtschaft nicht beheben, stattdessen spaltete sich auch die Allianz weiter.

Zuma war schließlich bei seiner Wahl zum Parteipräsidenten 2007 der Hoffnungsträger der entmachteten Gewerkschafter und Kommunisten und der Messias der Jugendliga. Doch während er den noch immer mehrheitlich von Weißen dominierten Unternehmen des Landes schnell die Angst vor einem allzu radikalen Politikwechsel nahm, enttäuschte er die Hoffnungen der Armen des Landes weitgehend. Arbeitsplatzprogramme und sozialer Wohnungsbau kommen weiterhin nur schleppend voran, die immer wieder heiß diskutierte Landfrage ging der Präsident nie an. Mit Ausnahme der SACP, die Zuma mit hohen Minister-Posten in seiner Regierung ruhigstellte, wandten sich die Unterstützer inzwischen weitgehend ab. Im Dezember dieses Jahres muss er sich parteiintern zur Wiederwahl stellen, der interne Machtkampf ist längst in vollem Gange, die einst angestrebte Einigkeit der Parteigründer passé.


Erschienen am 7. Januar 2012 in der Westfälischen Rundschau.