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Sanfte Giganten für sanften Tourismus – Eine Tour durch den Addo Elephant National Park

7. September 2011 – 22:31

Die Südafrikaner können von Glück reden, dass Philip Jacobus Pretorius seine Arbeit nicht ganz genau erledigte. Der Elefantenjäger war von der Regierung 1919 abgestellt worden, um die Elefanten rund um die Farmgemeinde Addo unweit der Hafenstadt Port Elizabeth am Indischen Ozean auszurotten. Immer mehr Siedler brauchten immer mehr Ackerland, auf dem sich die Dickhäuter aus Mangel an natürlichem Lebensraum wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen verhielten und für reichlich Schaden sorgten. Bis 1920 schoss Pretorius 114 Elefanten, dann setzte ein Umdenken ein. Für die letzten elf Überlebenden wurde 1931 schließlich auf gerade einmal 2000 Hektar ein Schutzgebiet gegründet – der Addo Elephant National Park.

Heute freuen sich Menschen aus aller Welt über diesen Schritt. Mehr als die Hälfte der jährlich rund 120 000 Besucher kommen aus dem Ausland, die meisten aus Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden. Der Park ist seit seiner Gründung selbstverständlich beträchtlich gewachsen – seit der neuesten Erweiterung vor drei Jahren ist er mit 1800 Quadratkilometern der drittgrößte Südafrikas. Die Pläne für einen fast 4000 Quadratkilometer großen Mega-Park, der dann auch die größte Pinguin-Kolonie Afrikas einschließen würde, liegen bereits in der Schublade. Doch bereits jetzt gibt es im Addo, wie der Park von den Einheimischen knapp genannt wird, genügend zu bestaunen. Mit 550 Elefanten ist der Bestand wieder am Limit dessen, was die Vegetation vertragen kann. Insbesondere im südafrikanischen Sommer von Dezember bis März finden sich ganze Herden an den Wasserlöchern ein. Wir haben – nachdem wir zunächst voller Enthusiasmus einen einzelnen Bullen in der Weite durchs Fernglas bestaunt hatten – irgendwann das Zählen aufgegeben. Den Ausrottungsversuch scheinen die Elefanten den Menschen inzwischen übrigens auch verziehen zu haben. Ausgiebig spielen die Jungen in den Wasserlöchern während die Alttiere sich mit dem rotbraunen Sand einpudern und die Halbstarken zu Showkämpfen ansetzen. Die Herden bieten nahezu endlose Live-Unterhaltung, zumindest solange bis die älteste Elefantendame das Signal zum Abmarsch gibt. Dann ziehen alle Elefanten – wenn auch nicht ganz in Reihe und leider auch nicht Rüssel-an-Schwanz weiter – von den Touristen in ihren Autos aber lassen sie sich nicht im Geringsten stören – im Gegenteil, wer zu nah dran ist, muss aufpassen, dass kein Rüssel durchs Fenster langt.

Neben seinen Namensgebern beherbergt der Nationalpark, der vom Flughafen Port Elizabeth mit dem Auto bequem in 45 Minuten zu erreichen ist und komplett auf Malaria freiem Gebiet liegt, auch die restlichen Big Five, die von Jägern einst zu den gefährlichsten Tieren Afrikas ernannt wurden: Löwen, Nashörner, Leoparden und Büffel. Vor den Küsten der erst kürzlich integrierten Waldsektion am Indischen Ozean tummeln sich zudem Wale und Weiße Haie und machen die Big Five so zu den Big Seven – die großen Sieben in einem Schutzgebiet gibt es nirgendwo sonst in Südafrika. Daneben grasen Kudu-, Eland- und Kuh-Antilopen, Zebras, Warzenschweine und Leopardenschildkröten, halten Erdmännchen und Kap-Hasen wachsame Ausschau und lauern Schakale und Hyänen auf ihre Chance. Letztere sorgten für den Höhepunkt unserer dreitägigen Tour durch den Park. Ein fünfköpfiges Rudel hatte in einem Wasserloch ein junges Eland gerissen. Während der Ranger mit südafrikanisch-trockenem Humor erklärte, dass das Tier sich gerade das lohnendste Beutestück aussuche, stand die Anführerin des Rudels nun keine zwei Meter vor dem offenen Safari-Jeep und begutachtete Nase rümpfend die Voyeure dieses Festmahls. Es blieb jedoch bei dem einen Beutetier, alle Zweibeiner überlebten unversehrt, auch beim obskuren Versuch einer mitreisenden Urlauberin, das Tier mit Schnalzlauten in perfekte Foto-Position zu bringen, überlegte es sich die Hyänenchefin nicht anders. Der Ranger, der sich vorab größtmögliche Ruhe von seiner Gruppe erbeten hatte, wäre aber wohl nicht besonders traurig gewesen.

Der Park hat es im achtzigsten Jahr seines Bestehens das vollbracht, was Pretorius hatte zerstören sollen – ein sinnvolles Zusammenleben von Menschen und Tieren. Im sonst kaum mit Reichtümern gesegneten Ost-Kap ist der Addo Elephant National Park einer der wichtigsten Pfände der Tourismusbranche – während gleichzeitig den natürlichen Wildtieren der Region ein adäquater Lebensraum von enormer Größe erhalten bleibt. Die Touristen bekommen davon freilich nur einen kleinen Teil zu sehen, die Rückzugszonen der Tiere sind gewahrt und dennoch traut sich – wie vor der Terrasse unseres Ferienhauses – nachts auch mal eines der scheuen Nashörner an das einzige beleuchtete Wasserloch. Wer solche Momente erlebt, versteht, warum Naturschutz wichtig ist. Die Zeiten der Ausrottungsprogramme eines Pretorius jedenfalls sind in Südafrika längst vorbei. Nur die Elefanten haben einen Teil der Erinnerung aus dieser Vergangenheit über Generationen behalten: Noch immer lechzen sie nach Zitrusfrüchten, deren vergorener Saft ihre Ahnen einst auf die Farmen lockte und süchtig machte. Orangen, Apfelsinen und Co sind daher im Addo noch heute verboten – auch für Zweibeiner.

Erschienen am 7. September 2011 in der Neuen Wernigeröder Zeitung.