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Apartheid-Opfer fordern Entschädigung

25. Januar 2010 – 19:03

Daimler und vier weitere Konzerne stehen wegen dunkler Geschäfte mit Südafrika vor Gericht

“Ein Konzern hat kein moralisches Bewusstsein, Verantwortung von Konzernen existiert nicht, denn moralische Verurteilung kann nur auf natürliche Personen angewandt werden.” Wie leicht wäre das Leben für Rheinmetall, Daimler, IBM, Ford und General Motors, wenn die Opfer der Apartheid diese Sichtweise des ehemaligen südafrikanischen Bildungsministers Kader Asmal teilen würden. Doch die klagen vor einem US-amerikanischen Gericht auf Reparationszahlungen für die Verbrechen, die das rassistische Apartheid-Regime ihnen zufügte. Die beklagten Konzerne hatten während der Apartheid trotz Embargo mit Südafrika gehandelt und in den Augen der Kläger damit das Regime unterstützt. Asmal, einst selbst Anti-Apartheid-Aktivist, vertritt die Position der neoliberalen Ex-Regierung unter Thabo Mbeki, die sich offen gegen die Sammelklage ihrer Landsleute gestellt hatte. Ein Berufungsgericht in New York prüft nun, ob die Klage zugelassen wird.

Ein Daimler-Sprecher bezeichnete die Vorwürfe als haltlos. “Unsere Lieferungen wurden von der Bundesregierung genehmigt”, zitiert ihn die Financial Times Deutschland. Fakt ist: Seit 1977 gab es ein verpflichtendes Rüstungsembargo gegen Südafrika, trotzdem lieferte Daimler seit 1978 nach Angaben der deutschen Hilfsorganisation Medico International mindestens 2500 Unimogs nach Südafrika. Das Militär des Apartheid-Staats baute die robusten Fahrzeuge zu Truppentransportern und Raketenwerfern auf und setzte sie zur Niederschlagung von Protesten in den Townships des Landes ein. „Die Unimogs wurden sogar bei Militärparaden aufgefahren und in den Werkstätten von Mercedes-Benz in Johannesburg gewartet und repariert – Daimler hätte also sehr wohl wissen können, dass seine Fahrzeuge militärisch und nicht in der Landwirtschaft eingesetzt wurden“, sieht Medico-Pressereferent Bernd Eichner den Konzern in der Schuld. Noch klarer ist die Lage bei Rheinmetall: Der Konzern ließ gleich eine ganze Munitionsfüllanlage mit falsch deklarierten Papieren über Paraguay nach Südafrika verschiffen.

Während die beklagten Großkonzerne nun in dem seit 2002 andauernden Verfahren Revision gegen die Zulassung der Klage eingelegt haben, hält das Leid der Apartheid-Geschädigten an. 58000 direkte Opfer erfasst die Datenbank, die die südafrikanische Opfergruppe Khulumani aufgebaut hat. Die tatsächliche Zahl der Opfer ist noch um ein Vielfaches höher einzuschätzen. Von denen, die in der Statistik auftauchen, sind laut Medico 74 Prozent arbeitslos, 20 Prozent leiden an HIV/ Aids – für die seelischen Folgen von Mordanschlägen auf Familienangehörige, wahllosen Erschießungen protestierender Kinder und Folterverhören gibt es keine Prozentzahlen.

In der gegenwärtigen öffentlichen Debatte spielen die Opfer aber – so scheint es – nur eine untergeordnete Rolle. Vornehmlich geht es um die möglichen Auswirkungen einer Klagezulassung in den USA. Die Anwälte von Khulumani stützen sich dort auf den Alien Tort Claims Act, jenes Gesetz aus dem 18. Jahrhundert, das bereits in den Prozessen um die Holocaust-Entschädigungs-Zahlungen zur Anwendung kam und Ausländern erlaubt, Klagen vor US-Gerichte zu bringen, auch wenn die Beklagten selbst keine Amerikaner sind. Die Bundesregierung wähnt daher „die staatliche Souveränität Deutschlands“ in „inakzeptabler Weise“ verletzt und sieht die Gefahr einer Behinderung „der Rechtsprechung deutscher Gerichte ebenso wie des internationalen Handels“, wie das Onlineportal der WELT aus einem Brief der deutschen Botschaft an das Gericht zitiert.

Laut Medico-Pressereferent Eichner hat die Klage vor einem US-Gericht aber vorwiegend praktische und finanzielle Gründe. In der ursprünglichen Klageschrift waren insgesamt 23 Konzerne aus mehreren Staaten angeklagt, darunter auch etliche Banken. All diese Unternehmen in ihren Heimatländern zu verklagen wäre nicht nur schwierig sondern auch aufwändig und teuer gewesen. Trotzdem eine Klageerhebung gegen die Banken, deren Kredite Südafrika noch heute abzahlt, nicht zugelassen wurde, läuft der Prozess nun in den USA weiter.

Mit seiner Position gegen die Klage steht Deutschland zudem inzwischen allein da. Sowohl die neue US-Regierung als auch die neue südafrikanische Regierung setzen sich nicht mehr gegen den Prozess ein. Die Financial Times Deutschland berichtet gar vom hohen Einfluss des Kläger-Anwalts Michael Hausfeld in Washington, der ein Förderer von Barack Obamas Wahlkampf gewesen sein soll. Und auch in Südafrika hat sich der Wind grundlegend gedreht. Der neue Präsident Jacob Zuma unterstützt die Forderungen der Apartheidopfer, auch Justizminister Jeff Radebe sprach sich für den Prozess aus.

Dazu haben nach einem Bericht der südafrikanischen Sunday Tribune auch neue Beweise beigetragen, die ein weiterer anstehender Prozess ans Tageslicht gefördert hat. Ein portugiesischer Waffenhändler, der sich um eine Provision für einen Waffendeal der französischen Firma Aerospatiale mit Südafrika aus dem Jahr 1986 betrogen fühlte, will sein Wissen preis geben. „Es wird erwartet, dass der Fall Finanzinstitutionen, Versicherungshäuser, Rüstungsunternehmen und eine Reihe weiterer Branchen hart trifft und etliche prominente Menschen nennen und beschuldigen wird, die sich in dieser Ära die Taschen voll gemacht haben“, schreibt die Zeitung. Die Luft könnte nun dünn werden für die Morallosen.

Der Artikel erschien im Rahmen einer Schwerpunktseite_Apartheid-Reparation (mit Interview und Zeitleiste) am 25.1.2010 in junge Welt.