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Bereit zum Kampf

9. März 2012 – 12:40

Südafrika: Hunderttausende demonstrieren gegen Leiharbeit

Hunderttausende Südafrikaner haben am Mittwoch in insgesamt 34 Städten des Landes für ein generelles Verbot von Leiharbeit und die Rücknahme eines Mautstraßenprogramms demonstriert. Zu den landesweit mit Streiks einhergehenden Demonstrationen, die zu den größten Massenprotesten im Land seit Ende der Apartheid 1994 wurden, hatte der Gewerkschaftsbund COSATU aufgerufen. Dessen Generalsekretär Zwelinzima Vavi machte vor 150000 Anhängern in Johannesburg klar, daß die Ursachen für den Streik tiefer liegen als in privatisierten Straßenbauprojekten. Diese seien nur der Zündfunke für einen neuen Klassenkampf am Kap. »Wir sind gekommen, um die erste Salve abzufeuern. Wenn sie darauf bestehen, daß wir bezahlen müssen, sagen wir ihnen: So wie wir die Apartheid besiegt haben, werden wir euch niederringen«, richtete Vavi scharfe Worte an die Regierung von Präsident Jacob Zuma. Der Gewerkschaftsbund ist eigentlich ein enger Partner des African National Congress (ANC) in der Regierungsallianz und spielte auch eine wichtige Rolle bei der Wahl Zumas zum Parteichef 2007. Doch der einstige Hoffnungsträger hat die Gewerkschafter – und mit ihnen wichtige Stammwähler – enttäuscht. Die Befreiungsbewegung gegen die Apartheid habe nicht nur für eine kleine Elite gekämpft, rief Vavi den streikenden Arbeitern zu.

Die Gewerkschaften kämpfen seit Jahren gegen die fortschreitende Privatisierung staatlicher Betriebe. Zuma hatte zunächst für eine stärkere Rolle des Staats in der Wirtschaft gestanden, seine Versprechen allerdings bisher nicht eingehalten. Vor dem Programmparteitag des ANC im Juni und dem für Zumas Verbleib an der Staats- und Parteispitze entscheidenden Wahlparteitag im Dezember sind die jetzigen Massenproteste daher auch ein deutliches Druckmittel der drei Millionen Mitglieder starken Gewerkschaften auf die politische Ausrichtung der Regierung.

Unwillkommene Unterstützung erhielt die Gewerkschaftsführung dabei am Mittwoch von der nationalistischen Jugendliga des ANC, die sich nach dem Parteiausschluß ihres Präsidenten Julius Malema den Protesten gegen die Mutterpartei anschloß. Der besonders bei der perspektivlosen Jugend für seine populistischen Brandreden beliebte Malema, der ursprünglich nicht als Redner vorgesehen war, wurde in Johannesburg von seinen Anhängern förmlich auf das Podium geschrien. Inhaltlich ist ein Bündnis aus Gewerkschaftsbund und wirtschaftsnahen Populisten wie Malema zwar unwahrscheinlich, für die derzeitige ANC-Führung dürfte sie trotzdem eine Bedrohung darstellen. Die Massenproteste könnten Zumas Kritikern die entscheidende Munition liefern.

Daran dürfte auch die Ankündigung von Arbeitsministerin Mildred Oliphant wenig ändern, in den nächsten Wochen Pläne zur Regulierung der Leiharbeit vorzulegen. Die Gewerkschaften fordern seit Jahren, die teilweise der Sklaverei ähnelnde Vermittlung von Arbeitern gänzlich zu verbieten. Die Regierung kündigte zwar immer wieder eine Entschärfung des Systems an, verhandelte jedoch in der Zwischenzeit mit Wirtschaftsvertretern die Ausgestaltung der neuen Richtlinien.

Die Fronten sind verhärtet. Die Regierung will die Zeitarbeit in regulierter Form beibehalten. Die Gewerkschaften ihrerseits riskieren den Rückhalt ihrer Basis, wenn sie die Forderung nach einem Verbot aufgeben. Vavi jedenfalls nannte die Proteste bereits einen »Krieg zur Rettung der Arbeiterklasse vor einem weiteren Angriff auf ihren Lebensstandard«. Und die scheint bereit, diesen Kampf zu führen.

Erschienen am 9. März 2012 in junge Welt.