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Die Fußball-Arbeiter

1. Juni 2010 – 07:14

Südafrikas Profikicker organisieren sich in ihrer eigenen Gewerkschaft

Wenn Cyril Nzama auf dem Fußballplatz steht, dann verteidigt er meist. Für einen Abwehrspieler ist das nicht ungewöhnlich. Doch Nzama verteidigt auch außerhalb des Feldes – und zwar seine eigenen Rechte. Der 35-Jährige ist Gewerkschafter bei der südafrikanischen Fußballer-Gewerkschaft SAFPU. In den WM-Kader hat es der routinierte Ex-Nationalspieler nicht mehr geschafft, sein Team Bay United durfte zu einem Testspiel gegen die Nationalmannschaft Südkoreas aber immerhin schon einmal auf dem Rasen des neuen Stadions in Port Elizabeth auflaufen. Während der Endrunden-Spiele ist der WM-Teilnehmer von 2002 aber nur Zuschauer.

Doch auch im WM-Fieber sind die Alltagsprobleme für Südafrikas Fußballer nicht völlig ausgeblendet. Bay United ist dafür zurzeit das beste Beispiel. Weil der Verein pleite ist, sind Spielergehälter nicht gezahlt worden. Um sich zur Wehr zu setzen, brauchen die Profis dann ihre Gewerkschaft. Die South African Football Player Union gibt es seit 1997. Die Gewerkschaft ist Mitglied im Dachverband COSATU, dem südafrikanischen Pendant des DGB. Sie zählt nach eigenen Angaben derzeit 350 Mitglieder in der ersten und zweiten Liga Südafrikas. SAFPU ist eine Organisation von Spielern für Spieler; Gewerkschaftspräsident Brian Baloyi ist aktiver Torwart des Spitzenclubs Mamelodi Sundowns. Sie setzen sich für rechtmäßige Verträge, ordentliche und regelmäßige Gehaltszahlungen und gute Arbeitsbedingungen ein. Über die Absicherung der Spieler hinaus, schiebt SAFPU auch Kampagnen zur HIV/Aids-Aufklärung und über gesunde Ernährung an und startet Projekte zur Jugendförderung. Hauptaufgabe der Gewerkschaft bleibt allerdings die Auseinandersetzung mit den Club-Bossen. Denn die südafrikanischen Vereine sind anders als in Deutschland meist in Privatbesitz und dienen dem Profit des Vereins-Eigners.

„Einige Clubs erkennen die Gewerkschaft nicht einmal an“, sagt Nzama. Hin und wieder würden Spieler sogar mit Entlassung bedroht, wenn sie sich organisieren. „Es gibt etliche Spieler, die nicht Mitglied sind, weil sie Angst haben, dann keinen Vertrag zu bekommen“, berichtet er. Reisen zu Gewerkschaftstreffen sind bei den Clubs verpönt: „Jeder Fehler, denn du dann auf dem Platz machst, wird ganz genau beobachtet und kann dir zum Verhängnis werden“. Doch aufhalten lässt Nzama sich davon nicht, denn „ohne Gewerkschaft ist es noch schwieriger, mit den Bossen zu reden“.

Aufgewachsen ist der stämmige Innenverteidiger in Soweto. Seine Kindheit erlebte er in Johannesburgs Mega-Township noch zu Apartheid-Zeiten als eines von fünf Kindern. „Es gab nicht viel, aber meine Eltern hatten Arbeit und konnten uns wenigstens versorgen“, erinnert sich Nzama. Er hat sich seinen Status von jeher erkämpfen müssen. Als Jugendlicher arbeitete er als Caddie auf dem Golfplatz und trug den Reichen die Schlägertaschen. 15 Rand hat er dafür bekommen, knapp 1,60 Euro. „Danach bin ich zum Platz gehastet, um zu spielen“, erzählt Nzama mit leuchtenden Augen. Er weiß, wo er herkommt und was er dem Fußball verdankt. Jahrelang spielte er bei den Kaizer Chiefs, einem der beiden beliebtesten Vereine Südafrikas, absolvierte sogar 47 Länderspiele für Südafrikas Nationalmannschaft Bafana Bafana. Zu Beginn seiner Karriere trat er auch in die Gewerkschaft ein. „Ich hatte damals keine Probleme, aber es war mir einfach wichtig, Hilfe zu haben, wenn mal was ist.“

Allein hätten die Spieler tatsächlich einen schweren Stand, da ihre Verträge sie meist in ihrem Recht auf öffentliche Meinungsäußerung beschneiden. Nzama würde daher auch jungen Spielern jederzeit zum Gewerkschaftseintritt raten. „Die Gewerkschaft ist nicht da, um mit den Clubs zu kämpfen, sondern um Probleme zu lösen“, sagt der alte Hase. Schließlich gebe es in jeder Branche Gewerkschaften, warum also nicht auch bei Fußballern. Er selbst ist sich und seiner Gewerkschaft treu geblieben, auch nachdem er die Kaizer Chiefs verlassen hat.

Seit 2008 spielt Skhokho, wie ihn Fans und Mitspieler rufen, bei Bay United in Port Elizabeth. Der Großteil seiner Mannschaftskollegen ist ebenfalls in der SAFPU organisiert. „Das ist ein Muss bei all dem Mist, der teilweise in den Vereinen passiert“, pflichtet sein Team-Kollege und Kapitän Duran Francis bei. Mit Umlilo (das Feuer), wie der Club im Volksmund heißt, wollte Nzama in der abgelaufenen Saison den direkten Wiederaufstieg in die Premier League Soccer, die höchste Spielklasse Südafrikas, schaffen. Lange sah es gut aus, doch zwei Spieltage vor Schluss erlosch die Flamme, Bay United bleibt zweitklassig. Inzwischen ist die Lage sogar noch dramatischer geworden, weil kein Geld mehr da ist, will Noch-Besitzer Sipho Pityana den Club verkaufen. Ansonsten könnten die Lichter in Port Elizabeth komplett ausgehen.

Nzamas Vertrag ist zum Saisonende ausgelaufen. Wo er in der neuen Spielzeit spielt, weiß er noch nicht. Er will zurück in die erste Liga, würde aber auch mit Bay United einen neuen Anlauf wagen, wenn sich ein Investor findet. Doch seit Monaten tut sich nichts. Leichte Verhandlungen werden das also auch für den alten Abwehrrecken nicht. Aber Skhokho, dessen Spitzname so viel wie „Der, der’s drauf hat“ heißt, fühlt sich gewappnet.

Erschienen am 1.6.2010 in Nord Süd news II/2010.