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German Gemütlichkeit als Markenzeichen

14. Dezember 2010 – 06:42

Ein Paderborner kocht am Deutschlandbild der Südafrikaner

Die Küche von Thomas Fuchs dominiert ein Sprachgewirr aus Englisch und Xhosa. Auf dem Herd schmoren in einer riesigen Pfanne Bratkartoffeln und daneben schneidet der gebürtige Paderborner einen Schweinebraten auf. 1997 hat er die Pacht des Deutschen Klubs von Port Elizabeth übernommen und kocht seitdem am Deutschlandbild der Südafrikaner. „Biertrinken, Lederhosen und Schweinebraten, das ist, was die Leute im Ausland als deutsch sehen“, erzählt der 51-Jährige und sagt auch gleich dazu, was das für ihn bedeutet: „Ob man es mag oder nicht: Genau das wollen die Gäste hier auch wiedererkennen, da kannst du mit Labskaus nicht viel machen.“ Doch trotz dieser kleinen Einschränkungen: Die eigene Küche in der Hafenstadt am Indischen Ozean ist nicht zufällig die mit Abstand längste Station in Fuchs‘ bewegter Koch-Karriere.

Nach dem Hauptschulabschluss begann der damals 15-Jährige direkt die Lehre im Paderborner Ratskeller. Er hat sich schnell nach oben gekocht und bald ging er statt zur Bundeswehr nach West-Berlin ins Kempinski. Der Vater hätte es wohl lieber gesehen, wenn Fuchs das Familien-Hotel Zur Krone in Schloss Neuhaus übernommen hätte. Doch als es den Sohn in die weite Welt zog, war er auch stolz. Über Stockholm und Tel Aviv kam er 1984 schließlich nach Port Elizabeth.

Geplant war das allerdings nicht. Eigentlich sollte Fuchs in der Kasino-Stadt Sun City im Norden des Landes im formal unabhängigen Homeland Bophuthatswana anheuern. Doch weil sich die Hotelgruppe Southern Sun, bei der er unterschrieben hatte, von den Hotels in den damaligen Homeland-Staaten abspaltete, landete er über 1000 Kilometer südlich. Die Arbeit im Fünf-Sterne-Hotel der Millionenstadt Port Elizabeth stand zunächst unter keinem guten Stern. In der Region erreichte der Widerstand gegen die Apartheid gerade seinen Höhepunkt. Immer wieder ermordeten die Truppen des rassistischen Regimes in Pretoria schwarze Widerstandskämpfer. „Ich war, bevor ich hierher kam, überhaupt nicht an Politik interessiert, aber das hat sich schnell geändert“, erinnert sich Fuchs. Spätestens, als er mit einer farbigen Freundin in einen Teegarten gehen wollte und wegen der damaligen „Rassenschande“-Gesetze achtkantig rausflog. Der Rassismus dominierte den Alltag. „Ich habe zum Beispiel im Bus in Deutschland immer hinten gesessen, da haben die mich hier sofort schief angeschaut, denn hinten hatten die Farbigen zu sitzen.“ Für die Weißen waren die Plätze im vorderen Teil reserviert. „Das war schon brutal“, fasst Fuchs zusammen.

Weil er auch vom Standard in der Küche des Southern Sun enttäuscht war, in der es viel zu wenige ausgebildete Köche gab, wollte er eigentlich schon nach sechs Wochen wieder kündigen. Doch es kam anders: Fuchs lernte seine heutige Frau kennen und blieb. Bereut hat er es nie und bricht heute eine Lanze für seine neue Heimat. Die Sicherheitsdebatte vor der Fußballweltmeisterschaft im Sommer sei „ein Riesentheater“ gewesen, man müsse mehr die vielen positiven Sachen sehen. „Wo auf der Welt gibt es sonst noch ein Land, das für seine Bewohner kostenlos Häuser baut“, fragt er.

Der Deutsche Klub ist Teil dieses neuen Südafrikas, in der 20-köpfigen Belegschaft arbeiten Schwarze, Farbige und Weiße selbstverständlich zusammen. Mit seiner urigen, holzgetäfelten Einrichtung ist gerade das Klub-Restaurant aber auch ein kleines Stück Deutschland weit weg an der Südspitze Afrikas. Das Heimatliche ist Geschäftskonzept, selbst auf seiner englischen Internetseite wirbt der Klub damit, beste „German Gemütlichkeit“ zu bieten. Die Vermarktung, sagt Fuchs, laufe in erster Linie über das Essen. Doch trotz der heimischen Erwartungen, kocht er auch gern saisonale, deutsche Spezialitäten. Vor einer Woche endete gerade die Spargelsaison, auf der Südhalbkugel wird jetzt Sommer und dann wird Fuchs bald wieder Fisch grillen. Er hat den Deutschen Klub in 13 Jahren von einer kleinen Bar, „in der sich ein paar alte Leute getroffen haben, um über die Zeitung zu reden“, zu einer der beliebtesten Lokalitäten der Stadt gemacht – bei Einheimischen und Deutschen.

Zwei Weihnachtsfeiern mit insgesamt 120 Gästen versorgt er an diesem Abend und das Angebot kommt an. „Ich mag die traditionellen deutschen Kartoffeln“, lobt Janel du Toit, eine Südafrikanerin, die schon ihre Hochzeit im Deutschen Klub feierte. „Viel besser als das traditionelle englische Essen“ sei das. Fuchs wird es gerne hören. Auch wenn er unumwunden zugibt, auf der Karriere-Leiter mit dem Ausscheiden aus der Welt der Sterne-Hotels ein Stück abgestiegen zu sein, ist er zufrieden. „Ich kann hier kochen was ich will, wie ich will und wann ich will“, sagt er. Nur eine Spur deutsch muss es eben immer sein.

Erschienen am 14.12.2010 in der Neuen Westfälischen.