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Grüne Luftschlösser auf Kohle gebaut

3. Dezember 2011 – 22:27

Südafrika will regenerative Energien fördern, ist aber abhängig von seiner eigenen Steinkohle

Südafrikas Energieministerin verkündete auf dem Weltklimagipfel in Durban in der vergangenen Woche verblüffendes:  37 Milliarden Euro wolle das Land in den kommenden 20 Jahren in Kernkraftwerke investieren um daraus 23 Prozent seines Energiebedarfs zu decken. Darüber hinaus soll der Anteil erneuerbarer Energien bei der Stromerzeugung auf 48 Prozent angehoben werden. Realistisch scheinen die strahlend-grünen Luftschlösser allerdings nicht, denn die Kap-Republik ist langfristig abhängig von ihren reichen Steinkohle-Vorkommen. 90 Prozent des südafrikanischen Stroms kommen zurzeit aus Kohlekraft – und Peters‘ eigene Partei, der regierende African National Congress (ANC), ist dafür verantwortlich, dass sich daran so schnell nichts ändern wird.

Erst im April vergangenen Jahres hatte die Weltbank der südafrikanischen Regierung einen Kredit über umgerechnet 350 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um ein neues, riesiges Kohlekraftwerk zu bauen. Nicht nur Klimaschützer hatten die Kreditvergabe bis zuletzt harsch kritisiert, in Südafrika hatte der Deal auch eine politische Dimension: Der ANC war über seine Investmentgesellschaft Chancellor House an der Firma beteiligt, die vom staatliche Stromproduzenten Eskom den Auftrag zum Bau der Turbinen bekam. Zwar verkaufte die Regierungspartei ihre Beteiligungen nach Bekanntwerden des Skandals – doch da waren die Aktien bereits beträchtlich gestiegen, bis zu 90 Millionen Euro soll die Partei so verdient haben. Die Regierung habe das Land mit der Verschuldung in die Abhängigkeit der Weltbank getrieben, um sich selbst zu bereichern, kritisierten Analysten damals. Wie unrealistisch Peters‘ Pläne sind, mit erneuerbaren Energien CO²-Emissionen zu sparen, müssten die Verhandlungsparteien daher eigentlich noch wissen. Direkt vor der entscheidenden Sitzung des Vergabe-Komitees der Weltbank warnte das Finanzministerium der USA seinerzeit noch vor den „Klimafolgen des Projekts und seiner Unvereinbarkeit mit dem Bekenntnis der Weltbank zur ihrer führenden Rolle bei der Minderung des Klimawandels“. Der US-Vertreter enthielt sich daher der Stimme, gleichwohl wissend, dass der Kredit damit bewilligt würde.

Das nördlich der Hauptstadt Pretoria in der Provinz Limpopo gelegene Kraftwerk Medupi soll bereits 2012 ans Netz gehen und wird bei Inbetriebnahme das drittgrößte Kohlekraftwerk der Welt sein. Ein weiteres Mega-Kohlekraftwerk in der Provinz Mpumalanga ist ebenfalls bereits im Bau. Die Langzeitfolgen liegen auf der Hand: Eskom hat sich allein für Medupi vertraglich verpflichtet, dem Kohleriesen Exxaro für die nächsten 40 Jahre jährlich durchschnittlich 14,6 Millionen Tonnen Steinkohle abzunehmen. Nachschubprobleme dürfte Südafrika ohnehin nicht bekommen: Das Land ist der sechstgrößte Kohleproduzent der Welt, 92 Prozent des Kohlebedarfs des afrikanischen Kontinents kommt aus Südafrika und die Vorräte reichen bei einem Verbrauch auf heutigem Niveau für die nächsten hundert Jahre. Die wirtschaftliche Bedeutung der Kohle ist immens, 50 000 Arbeitsplätze schaffen die Kohleminen, die 1,8 Prozent des südafrikanischen Bruttosozialprodukts erwirtschaften.

Die südafrikanische Umweltministerin Edna Molewa räumte daher auch ein, das Südafrika „mit seiner energieintensiven, durch fossile Energie angetriebenen Wirtschaft“ wesentlich zum globalen Klima-Wandel beiträgt. Wirtschaftsentwicklungsminister Ephraim Patel verteidigt die neuen Kohlekraftwerke dennoch.  Sein Land brauche die Einnahmen aus dem billigen Kohlestrom – und die daraus resultierenden Investitionen – um die Förderung regenerativer Energien zu finanzieren. Eine Argumentationslinie die offensichtlich auch deutsche Geldgeber überzeugt: Die Deutsche Bank, die Hypo Vereinsbank, die Commerzbank und selbst die Förderbank KfW sind nach ZDF-Recherchen allesamt an der Finanzierung südafrikanischer Kohlekraft beteiligt.

Erschienen am 3. Dezember 2011 im Weser Kurier.