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Verlorene Träume

27. Februar 2012 – 12:44

Südafrika: Streik in weltgrößter Platinmine vor dem Aus. Vertrauen in Gewerkschaften weiter gesunken

Massenentlassungen, drei Tote und eine niedergebrannte Polizeistation: Der seit mehr als einem Monat andauernde wilde Streik in der weltgrößten Platinmine nahe der südafrikanischen Stadt Rustenburg ist längst mehr als der anfängliche Disput um die gerechte Verteilung von Bonuszahlungen. In dem Bergwerk eskalierte der Kampf um ein besseres Leben für alle, das der regierende ANC vor nunmehr fast 20 Jahren versprochen hatte. Die Bergarbeiter leben mehrheitlich noch immer getrennt von ihren Familien und merken, daß sie mit den knappen Löhnen zwischen umgerechnet 300 und 450 Euro ihren Kindern keine Universitätsbildung und damit den Traum von der besseren Zukunft finanzieren können.

»Alles, was ich tun konnte, war meine Kinder zur Gesamtschule zu schicken und ihnen dann einen Job in den Minen zu organisieren«, zitiert die Wochenzeitung Mail & Guardian einen der streikenden Kumpel. Nach Abzug aller monatlichen Kosten reiche das Geld einfach nicht, um für eine Hochschulbildung zu sparen. Viele seiner Kollegen sind inzwischen noch verzweifelter. Weil sie ohne Streikgeld ums Überleben kämpfen, schleichen sie frühmorgens zurück zur Arbeit. Eine gefährliche Aktion: Mindestens zwei der drei Toten wurden von den eigenen Kollegen gejagt und erschlagen, der dritte fiel unbestätigten Meldungen einer Polizeikugel zum Opfer.

Angefangen hatte der Arbeitskampf nach einem Versuch des Minenbetreibers, die Belegschaft zu spalten. Impala Platinum, zweitgrößter Platinproduzent der Welt, hatte Teilen der Belegschaft hohe Zusatzzahlungen versprochen, sämtliche Bohrarbeiter aber außen vor gelassen. Nachdem zunächst nur die 5000 betroffenen Kumpel die Werkzeuge niederlegten, solidarisierten sich Ende Januar alle 17200 Bergarbeiter der Mine. Impala erklärte den nicht mit der Bergarbeitergewerkschaft NUM abgestimmten Streik für illegal und entließ die gesamte Belegschaft.

Schnell bot der Konzern zwar die Wiedereinstellung an, allerdings unter Aufgabe aller über die Jahre angesammelten Vorteile und zum untersten Einstiegstarif. Rund die Hälfte der verzweifelten Kumpel hatte das Angebot bis zum Freitag dennoch angenommen, der Rest blieb im Ausstand. Die Stimmung in den Arbeiterquartieren rund um die Mine wurde immer militanter und die alteingesessenen Gewerkschaften verloren mehr und mehr das Vertrauen der Arbeiter, die ihren Vertretern vorwarfen, mit der Konzernspitze zu kollaborieren.

Am Sonnabend verkündete die Bergbaugewerkschaft NUM gemeinsam mit dem Minenbetreiber zumindest, daß sämtliche Kumpel zu den alten Bedingungen wieder eingestellt werden. Die Abwehrschlacht gegen schlechtere Konditionen ist damit gewonnen. Die ursprünglichen Forderungen nach wesentlich höheren Bezügen – während des Streiks forderten die Kumpel auf Plakaten umgerechnet 900 Euro – erwähnt der Kompromiß nicht einmal.

Beruhigt hatte sich die Lage erst, als der charismatische Generalsekretär des Gewerkschaftsbundes COSATU, Zwelinzima Vavi, vor den Minentoren mit den wütenden Arbeitern sprach. Vavi brandmarkte die Spaltungsversuche des Bergbaukonzerns als Apartheidstrategie und versprach, für die Forderungen der Arbeiter zu kämpfen. Auch er forderte die Streikenden allerdings dazu auf, zur Arbeit zurückzukehren. Während sich die Unternehmensführung bei allem Klagen über temporäre Produktionsausfälle vor allem über die wegen des Streiks gestiegenen Platinpreise freuen dürfte, wird den Kumpeln nach nunmehr fünf Wochen ohne Lohn bald nichts anderes übrig bleiben, als Vavis Appell zu folgen. Neben ihnen sind die weiter geschwächten Gewerkschaften die Hauptverlierer des Streiks.

Erschienen am 27. Februar 2012 in junge Welt.