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Zukunft wird möglich

3. September 2011 – 20:40

Pilotprojekt in Namibia erprobt Bedingungsloses Grundeinkommen

Frida Nembwaya meldet „ausverkauft“, selbst das Brot in ihren beiden Öfen ist schon vorbestellt. Noch vor vier Jahren hätte die Mutter von acht Kindern nicht im Traum daran gedacht, einmal als Bäckerin ihr täglich Brot zu verdienen – aussichtslos war das in Otjivero, einer aus Blech und Zeltplanen zusammengezimmerten Armutssiedlung 100 Kilometer östlich der namibischen Hauptstadt Windhuk. Dann begann die Basic Income Grant Coalition Namibia, ein Bündnis aus Kirchen, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Gewerkschaften, im Januar 2008 jedem Dorfbewohner monatlich ein Bedingungsloses Grundeinkommen von 100 namibischen Dollar (10 Euro) auszuzahlen – das erste Pilotprojekt seiner Art weltweit.

Nembwaya fing sofort an zu backen. 2500 Dollar (250 Euro) verdiene sie so inzwischen pro Monat, erzählt die 38-Jährige – fünfmal soviel wie ihr Mann, der auf einer Farm arbeitet. Die schlecht bezahlten Jobs auf den Farmen waren bisher die einzigen Arbeitsmöglichkeiten für die landlosen Menschen. Verlieren sie dort die Arbeit, werden sie am Ortsrand förmlich abgeladen. „Die Farmer schmeißen die ganze Familie raus und dann müssen sie hierbleiben“, schildert Hildegaard Klaasen die entsetzliche Praxis. Die 53-Jährige, selbst 21 Jahre auf einer Farm tätig, hat sich eine Nähmaschine zugelegt und schneidert traditionelle Kleider – dank des Grundeinkommens hat sie genügend Kundschaft.

Das Geld hat den Ort verändert. Die Zahl unterernährter Kinder ist nach Angaben der lokalen Klinik bereits in den ersten sechs Monaten von 42 auf 10 Prozent gesunken. „Sie können sich jetzt im Unterricht besser konzentrieren“, erzählt die örtliche Schulleiterin Rebecca Heita. Doch die Regierung will das Projekt nicht wie angedacht ausweiten. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Hage Geingob, der selbst spendete, lehnt Ministerpräsident Nahas Angula die Idee ab. „Sehen ist glauben, aber die waren niemals hier“, klagt Projekt-Mitarbeiterin Tuhafeni Handima. Die Mittel drohen nun zum Jahresende auszugehen – und Frida Nembwaya die Kunden.

Erschienen in der August/September-Ausgabe der Solidarität. Bilder von Claudia und Dirk Haarmann.